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Papst Franziskus und die päpstliche Missionswerke

In seiner Botschaft an die Päpstlichen Missionswerke vom 21. Juni 2020 bietet Papst Franziskus eine Synthese seines Missions- und Weltkircheverständnisses.

Der Text mit einem dringlichen Unterton nimmt zwar auch Talente in den Blick, doch die Betonung liegt insgesamt auf Versuchungen und Krankheiten der missionarischen kirchlichen Präsenz.

Ein Kernelement seiner Missionstheologie, wie bereits in Evangelii gaudium entfaltet, benennt das Begriffskonglomerat Freude-Attraktivität-Unverfügbarkeit. Jeglicher missionarischer Aktivität geht die Erfahrung passivischer Ergriffenheit voraus. Es handelt sich um eine Erfahrung der Selbstüberschreitung. Missionarinnen und Missionare sind Menschen, die von der biblischen Botschaft, insbesondere der Gestalt Jesu, ergriffen wurden. Die Anziehungskraft besteht darin, dass sie eine Weitung ihres Person- und Menschseins erleben. Die Attraktivität der christlichen Botschaft äußert sich als Freude – das Leitmotiv im Glaubensdiskurs von Franziskus. Dabei spricht er sich nicht für eine Wohlfühlfrömmigkeit aus, sondern er bezieht sich auf die Trosterfahrung in der ignatianischen Spiritualitätstradition, die sich trotz der Konfrontation mit Widerständen und im Berührenlassen durch die Realität des Leids und des Unrechts einstellt. Dieser Trost ist nicht machbar und unter innerweltlichen Maßstäben irreal. Er stellt sich ein als unverfügbares Ereignis. Christen haben für dieses Geschehen die Artikulation des Paschamysteriums. Diese Sicht auf das Glaubenszeugnis ist weit entfernt von kirchlichen Besitzansprüchen und hegemonialen Erlösungs- und Fortschrittsstrategien.

Alles zielt auf eine vitale Glaubenserfahrung, die den Menschen umfassende Stimmigkeit erleben lässt. In biblischer Sprache handelt es sich um das Wirken des Geistes. Diese Vitalität ließe sich als pfingstlich, charismatisch, enthusiastisch charakterisieren, wenn diese Adjektive nicht mit kompetitiven christlichen Affiliationen assoziiert wären. Das antiquierte Wort Ergriffenheit bringt die passivische Qualität dieser religiösen und genuin christlichen Grunderfahrung vielleicht am unverfänglichsten zum Ausdruck. Vor diesem Hintergrund erhellt sich die Bitte von Franziskus, das Gebet zum Heiligen Geist nicht nur als Formalität zu pflegen.

 

Auf weltkirchlicher Ebene formuliert die Botschaft einen Gegensatz zwischen partikularistischer und universaler Orientierung. Die Universalität hebt die Besonderheit einer kulturellen Situation nicht auf. Sie behält aber ihre Eingebundenheit in weitere und größere Zusammenhänge im Blick. Auf diese Weise korrespondiert sie mit der Erfahrung der Selbstüberschreitung, denn die christliche Glaubenserfahrung ist immer auch mit einem Erleben von Ganzheit verbunden. Im Widerspruch dazu stehen konkret nationalistische Tendenzen und neokolonialistische Bestrebungen, vor denen kirchliche Institutionen nicht gefeit sind. So kann die Kirche sich aus den postkolonialen Diskursen nicht herausnehmen. Das universale Glaubensfundament bietet jedoch die Chance, dass sie nicht in der Kritik stecken bleiben.

Franziskus versteht den weltkirchlichen Universalismus nicht nur territorial. Deshalb ist es anachronistisch, wenn immer noch pauschal von afrikanischen oder asiatischen Missionskirchen die Rede ist. Weltkirche ist nicht primär eine geographische Größe sondern definiert sich durch die kirchliche Qualität der Katholizität. Es geht um das ganze Volk Gottes. Alle Getauften sind im Blick aufgrund ihrer gläubigen Sensibilität für die Präsenz Gottes und ihre Empfänglichkeit für das Wirken des Geistes. Insbesondere den Armen kommt diesbezüglich eine hermeneutische Autorität zu. Neben dem Übel des Klerikalismus verdient in diesem Zusammenhang Franziskus’ Hinweis auf das Phänomen eines kirchlichen Elitismus besondere Beachtung. Die Diskriminierung zwischen Professionellen und Amateuren betrifft nicht allein die Scheidung von Geweihten und Nichtgeweihten. Als Mittel der Subversion empfiehlt er eine marianische Spiritualität.

 

Provozierend ist die Deutung von Strategieentwicklung und Unternehmensanalyse als Selbstbespiegelung. Sie zielt weder auf eine prinzipielle Absage an die Einhaltung von Standards noch auf Indifferentismus. Der beständige Rekurs auf die ignatianischen Tradition lässt eine einseitige Auflösung, die entweder in Apathie oder Aktivismus resultiert, nicht zu. Allerdings deutet sich eine argumentative Stoßrichtung an, wenn eine unangemessene Kompliziertheit der Prozesse zur Sprache kommt. In der spirituellen Matrix der Unterscheidung der Geister ist es Kennzeichen des Ungeistes Hindernisse aufzutürmen und Einwände zu formulieren. Mit seiner Botschaft versteht sich der Papst nicht als Analyst oder Berater der kirchlichen Unternehmungen. Er bleibt konsequent auf der motivationalen Ebene missionarischer Praxis. Mit Penetranz fordert er die Selbstvergewisserung darüber ein, dass die vitale Glaubenserfahrung den Motor des weltkirchlichen Handelns bildet. Sein Insistieren auf das Gebet qualifiziert sie als Erfahrung der Selbstüberschreitung.

  • Kommissarischer Direktor
luber@iwm.sankt-georgen.de
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