Kirche im Zeichen der Migration
Der zweite Beitrag kam vom kroatischen Dominikaner P. Frano Prcela zur Frage der „Rolle der katholischen Kirche in der kroatischen Identität. Mit besonderem Blick auf Diaspora“. Prcela unterstrich die seit den Anfängen bestehende enge Verbindung zwischen der katholischen Kirche und dem kroatischen Volk bis hin zur Identifikation der beiden Größen. Diese ohnehin starken Bande wurden von Seiten der Kirche noch dadurch befördert, dass diese sich auch mit Nachdruck für die nationalen Interessen einsetzte. Positiv betrachtet, zeugt diese Wertschätzung von der ungebrochenen Nähe der Kirche zu den Menschen, gerade auch in den schwierigen Zeiten. Allerdings brachte die fehlende Distanz zwischen Nation und Kirche auch Probleme mit sich. Die katholische Kirche war auf das Ende des kommunistischen Regimes und die daraus resultierende Freiheit völlig unvorbereitet und sei es auch heute noch, so Prcela. In Bezug auf die Glaubenspraxis, habe dies dazu geführt, dass die sprichwörtliche Kirchlichkeit der Kroaten zu reinem Formalismus und reiner Traditionspflege verkommen sei. Es fehle an einer intellektuellen Glaubensvermittlung. Für manche kroatischen Priester sei der politische Standpunkt der Menschen wichtiger als die theologische Fundierung des Glaubens. Mit Blick auf die Ortskirchen in den Aufnahmeländern – zwei Drittel der ausgewanderten Kroaten leben im deutschsprachigen Raum, die große Mehrheit davon in Deutschland – bemerkte Prcela kritisch, dass sie Zuwanderer in Übersee längst eigene Pfarreien hätten, während sie in Europa immer noch Gäste seien. Am Ende seines Vortrags erwähnte der Referent ein kurzes Interview mit einer Studentin im Rahmen einer Sonntagspredigt, bei dem es um die Frage ging, weshalb junge Leute der sogenannten zweiten und dritten Generation weiterhin den Gottesdienst der kroatischen Gemeinde besuchten. Die Antworten der jungen Dame ließen darauf schließen, dass nicht der Gottesdienst als solcher, sondern der Aspekt der sozialen Kontakte im Vordergrund stünden.
Passend zur Thematik stellte Simon Foppa, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Schweizerischen Pastoralsoziologischen Instituts (SPI) in St. Gallen daran anschließend seine vor kurzem publizierte Masterarbeit vor zum Thema: „Katholische Migrantengemeinden – Wie sie Ressourcen mobilisieren und Handlungsspielräume schaffen“. Es handelt sich um eine qualitative Studie zweier englischsprachiger Communitys.
Den Abschluss des Studientags bildete eine Podiumsdiskussion, an der neben den genannten Referenten noch Daria Serra-Rambone von der Koordinationsstelle für den Forschungsschwerpunkt „Religion und gesellschaftliche Integration in Europa“ der Universität Luzern, Prof. Dr. Salvatore Loiero vom Lehrstuhl für Pastoraltheologie, Religionspädaogik und Homiletik der Universität Freiburg/Schweiz sowie Tobias Keßler, Leiter des Studien- und Bildungszentrums für Migrationsfragen (CSERPE) in Basel und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Weltkirche und Mission in Frankfurt am Main teilnahmen. Insgesamt wurde deutlich, dass die anderssprachigen Gemeinden auch angesichts der Zuwanderung neuer „Primi“ – gemeint sind Zuwanderer der ersten Generation im Unterschied zu den „Second@s“, ein Begriff der in der Schweiz für die zweite Generation steht – keineswegs ein Auslaufmodell darstellen. Insbesondere Mariano Delgado betonte das Recht auf die Seelsorge in der Muttersprache. Allerdings wurde die Ausschließlichkeit des Sprachkriteriums in den Rückfragen und Kommentaren aus der Zuhörerschaft auch hinterfragt. Tatsächlich sei festzustellen, dass sich immer mehr Menschen auch unabhängig von ihren jeweiligen Sprachkenntnissen in den anderssprachigen Gemeinden verorteten. Serra-Rambone, als Vertreterin der zweiten Generation in der Schweiz, sah in der oftmals doppelten kirchlichen Verortung dieser „Gruppe“ – Sonntagspraxis in der anderssprachigen Gemeinde versus Erstkommunion und/oder Firmung in der Territorialgemeinde – die Chance, zwischen den „beiden Welten“ vermitteln zu können. Salvatore Loiero hob hervor, dass es zahlreiche Hinweise darauf gebe, dass die Frage der Einheit in Vielfalt auch in der Urkirche keineswegs so unproblematisch gewesen sei, wie dies oft dargestellt werde. Keßler unterstrich seinerseits, dass jede Gemeinde, ob einheimisch oder anderssprachig, dazu gerufen sei, sich für die Vielfalt zu öffnen und somit „katholischer“ zu werden, so dass es am Ende gleichgültig sei, welche Gemeinde der einzelne bevorzuge, um sich darin kirchlich zu verorten.
"Der Mensch. Bedeutungen und Herausforderungen“ statt.