Bischofssynode – Stimmen aus der Weltkirche

16. November 2015

Vom 4. bis 25. Oktober 2015 traf die XIV. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode unter dem Thema „Die Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute“ in Rom zusammen. 270 Kardinäle, Patriarchen und Bischöfe aus aller Welt berieten drei Wochen lang in Anwesenheit des Papstes und in kleineren Sprachgruppen über die Situation der Familien heute, über die Theologie der Ehe und über die Antwortmöglichkeiten der Kirche angesichts der verschiedensten Herausforderungen, die die konkreten Ortskirchen in ihrer pastoralen Praxis begegnen. Was u.a. die Bischofssynode jetzt im Nachhinein auszeichnet, ist vor allem das sensible Hinschauen auf die bunte Wirklichkeit von pastoralen Herausforderungen in der einen Weltkirche. Durch dieses Hinschauen, wurde nochmal deutlich, wie verschieden auch die Erwartungen der Ortskirchen an diese Bischofssynode waren. Demzufolge ist eine Umschau in die Weltkirche und die Sichtung der Reaktionen in den verschiedenen Regionen der Welt während und nach der Versammlung der Bischöfe in Rom, äußerst interessant. Eine Sammlung der Ergebnisse einer weltkirchlichen Sichtung von Reaktionen zu der Bischofssynode findet sich im Folgenden.

Afrika                     

Als kontinentaler Zusammenschluss der verschiedenen afrikanischen Bischofskonferenzen  meldete sich das Symposium of Episcopal Conferences of Africa and Madagascar (SECAM/SCEAM) zur Bischofssynode zu Wort. In einem Positionspapier mit dem Titel “The Future of the Family, our Mission“ (Auszug I / Auszug II) betont die Gemeinschaft der Bischöfe erneut, welch wichtige Rolle der Familie sowohl innerhalb der Kirche als auch für die Gesellschaft im Ganzen zukommt. Gerade angesichts der vielfältigen Herausforderungen, mit welchen das Leben der Familien in den unterschiedlichen afrikanischen Ländern heute konfrontiert ist, sei es daher eine vorrangige Aufgabe der Kirche, ihre besondere Identität weiterhin zu schützen und zu stärken.

Was dies konkret im Hinblick auf die zentralen Themen der Synode heißen soll, scheinen die einzelnen Vorsteher der afrikanischen Ortskirchen jedoch durchaus unterschiedlich zu deuten. Neben den radikalen Aussagen des westafrikanischen Kardinals Robert Sarah (Guinea) wurden in den letzten Wochen auch noch andere Stimmen laut, die ein Festhalten am bisherigen Kurs der Kirche im Umgang mit gleichgeschlechtlichen Beziehungen und wiederverheirateten Geschiedenen fordern – so auch die Meinung des nigerianischen Kardinals Francis Arinze. Obgleich er selbst kein Teilnehmer der Synode war, stellte er bereits in einem Interview Mitte Oktober kritisch infrage, wie es möglich sein soll, Fragen wie die der Zulassung Wiederverheirateter zur Kommunion dezentral zu regeln. Eine Sünde, so der Kardinal, bestehe schließlich unabhängig von nationalen Grenzen und könne so nicht von verschiedenen Bischöfen oder Bischofskonferenzen unterschiedlich bewertet werden.

Wesentlich positiver fällt die Beurteilung der synodalen Diskurse aus, die Kardinal Wilfrid Fox Napier aus Südafrika formuliert. Anders als bei der letzten Bischofssynode im Jahr 2014 seien die Gespräche weniger ideologisch aufgeladen, die weltkirchliche Dimension der behandelten Themen viel stärker spürbar gewesen. Besonders wichtig ist für ihn die Anerkennung spezifischer kultureller Eigenheiten, weshalb er anders als Arinze Befürworter einer größeren Unabhängigkeit der Bischöfe und ihrer Ortskirchen ist. Als konkretes Beispiel nennt er in diesem Zusammenhang etwa die Problematik des vorehelichen Zusammenlebens von Mann und Frau, welches im afrikanischen Kontext wesentlicher Teil der traditionellen Ehevorbereitung ist.

Ebenfalls sehr wertschätzend hat sich gleich im Anschluss an die Synode auch der Erzbischof Charles Palmer-Buckle von Accra (Ghana) zu Wort gemeldet (s. auch Interview mit Vatican Radio). Er lobt den offenen Austausch, durch den das Zusammentreffen der Bischöfe geprägt war sowie die fruchtbare Dynamik, die Papst Franziskus durch seinen individuellen Stil in die Auseinandersetzungen gebracht hat. Vor allem was das afrikanische Tabu-Thema Homosexualität angeht, macht Palmer-Buckle jedoch deutlich, dass es noch einige Zeit brauchen wird, bis sich in den Köpfen der Menschen diesbezüglich etwas ändert – eine Einschätzung, die letztlich die Mehrheit der afrikanischen Bischöfe miteinander verbindet.

Lateinamerika

Kardinal Ricardo Ezzati, Erzbischof von Santiago de Chile, betonte, die wichtigsten Begriffe der Synode seien „Nähe, Unterscheidung und Integration“ gewesen. Es sei klar geworden, dass es keine allgemeinen Prinzipien gebe, die man in undifferenzierter Weise auf alle Einzelfälle anwenden könne, sondern dass man jede Situation gesondert beurteilen müsse. Eine Frau, die ihr Leben lang treu gewesen, von ihrem Mann ungerechter Weise verlassen worden sei, und von der sich herausstelle, dass ihre Ehe vielleicht gar nicht gültig war, könne natürlich weiterhin die Kommunion empfangen. Das anstehende „Jahr der Barmherzigkeit“ lade dazu ein, „barmherzig wie der Vater“ zu sein. Das bedeute, eine Haltung der „offenen Arme, um alle anzunehmen, von Herzen zu vergeben, Vertrauen wiederherzustellen und mit den Augen des Menschensohns auf die zu blicken, die unsere ausgestreckte Hand am meisten benötigen“.

Mit Blick auf den Kontext in Chile wies Ezzati besonders auf die Herausforderungen der Armut, der Migration und der sozialen Exklusion hin, die das Leben der Familie bedrohen würden.

Der Vorsitzende der argentinischen Bischofskonferenz, José María Arancedo, wies darauf hin, dass die Synode den tiefen Zusammenhang zwischen „Liebe“ und „Leben“ herausgestellt und die Notwendigkeit einer besseren Vorbereitung und Begleitung der Ehepartner eingesehen habe. Es sei keine neue allgemeine Norm für den Umgang mit wiederverheiratete Geschiedene verabschiedet worden. Der Fokus der Synode habe darauf gelegen, gemeinsam die verschiedenen Realitäten wahrzunehmen und sich auf einen Prozess gemeinsamen Reflektierens einzulassen. Arancedo betonte, dass die Synode lediglich Vorschläge erarbeitet habe. Der Papst sei frei, in welcher Weise und wie weit er diese aufnehmen wolle.

Auf der Homepage des Zusammenschlusses der lateinamerikanischen Bischofskonferenzen CELAM wurde den Impulsen lateinamerikanischer Ehepartner (aus Kolumbien, Costa Rica und Peru) auf der Synode besondere Aufmerksamkeit geschenkt und ihre Redebeiträge zusammengefasst veröffentlicht. In diesen kommen insbesondere die emotionale Vernachlässigung als Grund für das Scheitern einer Ehe, die Würde der menschlichen Sexualität als einer Gabe Gottes, die Notwendigkeit der gründlichen Vorbereitung und Begleitung der Ehe, die Angewiesenheit auf die Liebe Gottes als Grundlage einer funktionierenden Beziehung zum Ausdruck sowie die Meinung, dass sich eine Ehe gegen Kinder weder verschließen noch diese als ein durch technisch-medizinische Hilfsmittel zu gewährleistendes Recht einfordern dürfe.

Asien

In der auflagenstärksten philippinischen Zeitung, dem „Philippine Daily Inquirier“ wurde das Abschlussdokument der Synode als ein Kompromisspapier beurteilt, das „einen Waffenstillstand zwischen Konservativen und Liberalen“ darstelle. Das Dokument bestätige „den Rückschritt gegenüber einer expliziteren Öffnung für schwule und lesbische Gläubige, die von progressiven Kreisen“ bei dem im letzten Jahr begonnenen Prozess des Überdenkens der kirchlichen Lehre über die Familie eingefordert worden war. Das Dokument lasse Franziskus jedoch einen gewissen „Spielraum, falls er entgegen seiner konservativen Gegner daran festhalten sollte, daran weiterzuarbeiten, die Kirche relevanter und offener für Gläubige zu machen, die gegen ihre offiziellen Regeln verstoßen.“

Die offiziellen Seiten der Kirche (Homepages der Bischofskonferenzen sowie die zentrale Homepage der FABC [Federation of Asian Bishop´s Conferences]) schweigen sich zu der Bischofssynode aus. Lediglich die Erzdiözese Manila mit Kardinal Tagle bringt die Rede von Papst Franziskus zum Abschluss der Synode – allerdings nur im Original, ohne weitere Kommentierung.

Europa (Spanien)

Die international einflussreichste spanische Zeitung „El País“ urteilte, die Synode sei zu Ende gegangen, „ohne die Erwartungen zu erfüllen“. Die „Hierarchie der Kirche“ habe die Botschaft der Öffnung Jorge Mario Bergoglios nicht aufgenommen, sondern offenbare „den Graben, der zwischen einem Gutteil der Hierarchie und Bergoglio“ existiere. Das Abschlussdokument wärme „den Katechismus und die Theorien auf, die bereits Johannes Paul II verteidigt hatte. Und das in einem Maß, dass es mitten im 21. Jahrhundert bereits als Fortschritt erscheint, ‚ungerechte Diskriminierungen‘ von Homosexuellen zu vermeiden“, so das kritische Urteil der Zeitung.

Osteuropa (Rumänien, Ungarn, Serbien)

Man findet in diesen Ländern überwiegend Kommentare und Erfahrungsberichte aus erster Hand. Synodenväter, Auditoren werden während der Synode vom Radio Vatikan regelmäßig interviewt. Ihre Berichte prägen die offiziellen oder halb-offiziellen Seiten der Bischofskonferenzen der gesichteten Ortskirchen.

Die rumänische Bischofskonferenz betont zum Schluss der Bischofssynode, dass zwar die Presse in West-Europa die Thematik der Familiensynode auf zwei Fragen (Kommunionzulassung der Wiederverheirateten-Geschiedenen und homosexuelle Partnerschaften) zu reduzieren versuchte, zeige sich jedoch im Abschlussdokument der Synode das Thema Familie in seiner Breite:  Behandelt wurden nämlich auch die komplexen Themen wie Gewalt in der Familie und Inzest, Pornografie und Ehevorbereitung. Die rumänischen Bischöfe unterstreichen, dass die Lehre der Kirche bei der Synode nicht geändert wurde. Im Gegenteil, die Lehre sei bereits durch den Punkt 85 des Abschlussdokumentes nochmals bekräftigt worden. Dieser Punkt schlage nämlich die Begleitung der Wiederverheirateten-Geschiedenen als gangbaren Weg in der Pastoral vor. Da wird nämlich klargestellt, dass diese Begleitung immer im Einklang mit der Lehre der Kirche und in Einheit mit dem Ortsbischof erfolgt. Die Bischöfe stellen weiterhin klar, dass homosexuelle Partnerschaften nicht analog zu der Ehe betrachtet werden können, eine Aussage, die bei der Synode ebenfalls bekräftigt wurde. Ebenfalls sei die Lehre der Kirche zur Frage der Abtreibung und Verhütung bestätigt worden. Angesichts des Abschlussdokumentes zeigen sich die Bischöfe zufrieden, und beziehen sie sich auf die Wortmeldung von Kardinal Pell, der sagt, die Synode „verlief ohne doktrinäre Entwicklungen, ohne doktrinäre Überraschungen, ohne doktrinäre Sprünge. Ohne Änderungen in der Praxis oder in der Disziplin“. Aber doch wurde ein großes Lob „zahlreichen Familien für das Zeugnis der glücklichen Ehepaare und ihrer Kinder als Boten der Evangelisierung“ ausgesprochen.

Die rumänische Ärztin, Anca Maria Cernea, Synodenauditorin, erzählt in einem Interview, der auf der Seite der rumänischen Bischofskonferenz zu finden ist, von ihrer Wortmeldung vor der Versammlung der Bischöfe und von ihrer Erfahrung in Rom. Sie appelliert an die Erfahrung der Menschen im Kommunismus, wo heute Treue in einer unmöglichen Situation damals als die Überlebungskraft zu interpretieren sei. Dank der Treue konnte die (griechisch-katholische) Kirche – der sie heute auch angehört – überleben. Schlimmer als der Kommunismus, bezeichnet sie die Genderideologie in unserer Zeit, weil diese in die Tiefe geht und die von Gott erschaffene Natur zu korrigieren und sie neu zu definieren versucht. Feinde seien alle, die von dieser Genderideologie gefangen sind. Ihr Apell an die Bischöfe war daher, keinen Kompromiss einzugehen. Die wahre Freiheit erfolge aus der Befreiung von den Sünden. Die Sünden müssten aber beim Namen genannt werden, denn nur wenn die Menschen sie kennen, können sie diese bereuen und nur so kann erbarmen erfolgen. Barmherzigkeit gäbe es nicht ohne Wahrheit. Diese Wahrheit muss die Kirche verteidigen, ohne Kompromisse. Wer die Wahrheit relativiert, verrate Christus selbst, der gesagt hat: „Ich bin die Wahrheit“.

Der griechisch-katholische Bischof aus Bukarest, Synodenvater Mihai Fratila äußerte sich über die Arbeit in der Synode äußerst positiv. Er betonte in einem Interview, der auf der Seite der rumänischen Bischofskonferenz zu lesen ist, dass die Aufgabe der Kirche die Heilung sei. Wir würden heute in einer kulturellen Diktatur leben, in der die Kirche klar reden müsse. Die Kirche dürfe keine Angst haben, sich in der Gesellschaft etwa unbeliebt zu machen, denn die Menschen bräuchten klare Worte, und die Kirche kann sie nur so, mit klaren Worten begleiten.

Die halb-offizielle Webseite der ungarischen Bischofskonferenz interviewte gemeinsam mit Radio Vatikan  während der Bischofssynode öfters die anwesenden Bischöfe aus Ungarn und den ungarisch-sprachigen Bischof aus Serbien, Bischof Ladislav Nemet SVD.

Der Primas von Ungarn, Kardinal Péter Erdő, Erzbischof von Esztergom-Budapest, Hauptrelator der Bischofsynode wertete in einem Radiointerview die Arbeit der Synode aus. Er betonte dabei, dass ein gemeinsames Anliegen der Synodenväter eindeutig das Heil der Seelen war. Zum ersten Mal habe er den Eindruck gehabt, diese Synode sei keine europäische Synode gewesen, sondern sie fange die verschiedensten Realitäten aus der Weltkirche auf. Darüber hinaus unterstrich der Kardinal, dass die Synode noch eindeutiger gemacht habe, dass die Familien als Subjekte der Pastoral zu betrachten sind. Dieser Aspekt zeige sich explizit in dem Vorschlag, dass die Ehepaare mehr in die Ehevorbereitung miteinbezogen werden müssten. Die „heiklen Fragen“ im Kontext der Familie seien nicht neu. Das Abschlussdokument nehme jedoch dazu explizit keine Stellung. Was in Folge der Synode nochmals eindeutig geworden sei, ist die Vorrangigkeit der Einbindung der Person in die Gemeinschaft. Die barmherzige Integration der Person in die Gemeinschaft bekräftige die Lehre der Kirche über die Barmherzigkeit. Es ginge primär nicht nur um die Person, sondern um die Person, die in die Gemeinschaft der Kirche eingeladen ist.

Ladislav Nemet SVD, Bischof von Zrenjanin (Serbien), delegierter Synodenvater der Internationalen Bischofskonferenz der Heiligen Kyrill und Method äußerte sich positiv in einem Radiointerview des Radio Vatikan über die Arbeit im Synodenaula und in der kleinen deutschen Sprachgruppe, der er auch angehörte. Seiner Meinung nach würden sich 99% der Synodenväter über ein positiveres Bild der Familie freuen. Der Wunsch der jungen Menschen nach einem Leben in einer glücklichen Familie sei sehr stark, demzufolge müsste man den Familien auch große Aufmerksamkeit schenken, die Freude ausstrahlen, um gerade die jungen Menschen zu ermutigen, dass es ein glückliches Familienleben auch gebe. Er wies auf die speziellen Herausforderungen in den orthodoxen Ländern hin, wo die meisten orthodoxen Kirchen, die katholische Taufe nicht akzeptieren würden, und im Falle einer interkonfessionellen Eheschließung die katholische Partei oft orthodox „neu“ getauft wird. Das sei ein großes Problem, das jedoch bei der Synode keine große Aufmerksamkeit bekommen habe.

Quellenangaben: Vgl. Hyperlinks im Text

Veronika Maierhofer, Sebastian Pittl, Markus Patenge, Klara Csiszar

 

 

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