Eine merkwürdige Verflechtung von Staat und Kirche, von Nation und Konfession – Randnotizen zu der Präsidentenwahl in Rumänien

24. November 2014

Was ist so besonders an dem neu gewählten Präsidenten Rumäniens, Klaus Werner Johannis, dass ihm sowohl in der Bundesrepublik Deutschland aber auch in Österreich, in Ungarn und selbstverständlich in Rumänien – schließlich ist er rumänischer Staatsoberhaupt geworden – eine ungewöhnlich große Aufmerksamkeit geschenkt wird?

Er ist rumänischer Staatsbürger, er ist evangelisch mit deutscher Abstammung und steht für einen Neuanfang in Rumänien, für eine neue Periode nach dem Postkommunismus.

Rumänien ist einer der ärmsten Länder der Europäischen Union. Etwa zwei Millionen Menschen mit rumänischer Staatsbürgerschaft arbeiten in anderen EU-Ländern, überwiegend in Spanien, Portugal und Italien. Dementsprechend wird im Land eher das Thema Emigration statt Migration großgeschrieben.

Der neu gewählte rumänische Staatschef hat keinen Migrationshintergrund und doch gehört er zu der deutschen Minderheit in Rumänien. Sogar zu der Minderheit der rumäniendeutschen Volksgruppe, die nicht emigrierte.[1] Mit knapp 40.000 Siebenbürger Sachsen und Donauschwaben sind die Deutschen in Rumänien die zweitgrößte ethnische Minderheit, die zusammen mit den 1,2 Millionen Ungarn und anderen ethnischen Volksgruppen als Einheimische in Siebenbürgen gelten[2]. Die konfessionelle Zugehörigkeit der zwei großen ethnischen Minderheiten ist im Lande fast selbstverständlich: Sachsen sind evangelisch, Schwaben sind katholisch, die Ungarn sind entweder Katholiken, Kalvinisten oder Unitarier. Sie alle leben mit der mehrheitlich rumänischen Bevölkerung des Landes (89%) zusammen, davon gehören 86% der Rumänen der Rumänisch-Orthodoxen Kirche an.

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Die zweifache Minderheitssituation (ethnische und konfessionelle) des Kandidaten Johannis gehörte zu den Wahlkampfthemen im Lande. Vertreter der Rumänisch-Orthodoxen Kirche standen mit Parolen, wie „wählt den Orthodoxen für unsere Nation“ eindeutig zu dem Sozialdemokraten Victor Ponta und plädierten damit gegen den Christliberalen Johannis. Es ist eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen Kirche und Staat, die aber in Rumänien niemanden mehr überrascht.

Die größte ungarische Minderheitspartei (RMDSZ) zeigte sich zurückhaltend und überließ die Entscheidung ihrer Anhänger alleine ihrem Gewissen. Grund dafür, warum sie sich mit Johannis nicht einigen wollte, war, dass der Rumäniendeutsche die bestrittene Autonomiestrebungen der Sekler (eine relativ homogene ungarische Volksgruppe in Zentralrumänien, überwiegend katholisch) nicht unterstützt und auch, was den Respekt von Minderheitsrechten im Lande angeht, sich zufrieden zeigt. Eine überwiegend von Seklern erwünschte administrative Aufteilung Rumäniens aufgrund von ethnischen und kulturellen Grenzen innerhalb des Landes bezeichnet er als traditionalistisch, was im Wege der Entwicklung eines modernen Staates stünde.[3] Diese Meinung von Johannis macht manche Ungarn nachdenklich und sie zeigen sich skeptisch, was in den kommenden fünf Jahren in Rumänien zum Thema Minderheitsrechte von dem neuen Staatspräsidenten zu erwarten sei.

Der Kritik der rumänischen Traditionalisten entkommt der neu gewählte Staatsoberhaupt ebenfalls nicht: in einer Petition[4] wird sein Übertritt zur Rumänisch-Orthodoxen Kirche gefordert sowie die Änderung seines Namens auf: Claudiu Iohanescu. (Es sei doch eine Tradition in Rumänien: Ceausescu, Iliescu, Constantinescu, Basescu.) Dazu meint er mit seiner trockenen Humor: „Johannis klingt doch auch gut.“ Wie Johannis das Gleichgewicht unter Modernisten und Traditionalisten, Rumänen und Ungarn, Orthodoxen und andere Konfessionen im Sinne eines modernen demokratischen Staates schafft, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.

Fakt ist, dass die Staatsbürger des Landes – unabhängig von ihrer ethnischen und konfessionellen Identität – mit Johannis für die Abschaffung der Korruption, für das Ende einer postkommunistischen Periode mit vielen Altlasten, für mehr Transparenz in der Justiz und nicht zuletzt für eine deutsche Arbeitsmoral gestimmt haben. Vielleicht ist es ein Neubeginn, wozu man erst nach 40 Jahren Kommunismus hinreifen musste, um zu verstehen, dass in einer zukunftsfähigen rumänischen Gesellschaft ethnische und konfessionelle Identitäten alleine nicht maßgebend sein dürfen, sondern das, was primär zählt, menschliche Qualitäten und Werte sind, die in Taten erst offensichtlich werden sollen. Verschiedene kulturelle und/oder konfessionsgebundene Interessen dürften nicht gegeneinander ausgespielt und instrumentalisiert werden, sondern sie müssen für die gute Zukunft der Gesellschaft zusammenwirken. In diesem Sinne war für Klaus Johannis Hermannstadt (Sibiu, Nagyszeben) als Kulturhauptstadt Europas von 2007 die beste Referenz. Als Langzeitbürgermeister dieser Stadt stand er vom Anfang an für mehr Transparenz in den Finanzen und in der Verwaltung, für eine bessere Arbeitsmoral sowie für die effiziente Integration kultureller Werte im Dienste der modernen Gesellschaft. Die gleichen Werte vertrat er in seinem Wahlkampf um die Präsidentschaft weiterhin. In der großen Euphorie um den Neubeginn im Lande darf aber nicht vergessen werden, dass der Regierungschef in Rumänien, bis zu den nächsten Wahlen in 2016, der Sozialdemokrat Victor Ponta bleibt, der bei der Stichwahl vom 16. November um das Präsidentenamt Gegenkandidat von Johannis gewesen ist. Die ersten Herausforderungen für das Land stehen somit bereits im Raum.

Anmerkung: Die größte deutsche Volksgruppe in Osteuropa lebt bis heute in Siebenbürgen (Transilvanien, bis 1918 Teil Ungarns). Die Siebenbürger Sachsen leben seit dem 12. Jahrhundert in Siebenbürgen. Ihre Herkunftsgebiete sind Köln, Trier und Lüttich. Diese Volksgruppe hat also nichts mit der Bevölkerung des Freistaates Sachsen zu tun. Die aus Baden-Württemberg stammenden Sathmarer Schwaben datieren ihre Ansiedlung auf das Jahr 1712. Die ersten Kolonisten der Banater Schwaben kamen 1692 nach Siebenbürgen. Die Ungarn wissen sich seit über 1000 Jahren als einheimisch auf diesem Gebiet.

[1] Im 20. Jahrhundert haben das Land cca. 760.000 Deutschstämmige Rumänien verlassen. Vgl. Karla Engelhardt. Der Preis der Freiheit. Der Freikauf der Rumäniendeutschen.
[2] Siebenbürgen ist der zentrale und nordwestliche Teil Rumäniens, etwa 100.293 km2 groß, eine Region, die bis 1918 zu Ungarn (bzw. zu der K. und K. Monarchie) gehörte.
[3] Transindex.ro: Mit gondol a kisebbségi kérdésről és a regionalizációról a szász Johannis? 
[4] Solicitam Botezul Ortodox als Presedintelui (potrivit Legii Pamantului). Online Petition. sowie vgl. ORF: Rumänien: Orthodoxe fordern Konversion von Johannis

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Klara A. Csiszar