Eklat um Antisemitismusvorwurf gegen ÖRK

04. Juli 2013

Mit ihrem Beitrag in der Jüdischen Allgemeinen vom 13. Juni sorgten die beiden evangelischen Neutestamentler, Wolfgang Stegemann (Neuendettelsau) und Ekkehard W. Stegemann (Basel) für einen Eklat. Darin bezichtigen die Zwillingsbrüder den Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) des „antiisraelischen Antisemitismus“. Dieser werde heute nicht nur „gesellschaftlich und medial verbreitet“, sondern sei auch in christlichen Kreisen en vogue, etwa wenn zum Boykott israelischer Produkte aufgerufen werde. Den Anlass für den Artikel bildete offenbar die Abschlusserklärung einer Tagung des Weltkirchenrats in Beirut vom Mai 2013. Die israelkritischen Töne, die dort im Hinblick auf die Situation der Christen in Palästina und im Nahen Osten geäußert wurden, haben für die beiden Professoren ihre Wurzel in der „alte[n], religiös begründeten christlichen Judenfeindschaft“ und der bevormundenden Haltung, die der ÖRK 1956 gegenüber dem jüdischen Staat formulierte.

Nachricht 20130704

Der Generalsekretär des Weltkirchenrates, Olav Fykse Tveit, wies den Vorwurf des religiösen Antisemitismus mit aller Deutlichkeit zurück. Die Anerkennung des Staates Israel innerhalb der international anerkannten Grenzen sei für den ÖRK eine Selbstverständlichkeit. Dagegen sprach er sich für die Notwendigkeit konstruktiver Kritik an der israelischen Diskriminierungspolitik gegen Muslime und Christen aus. Diese habe nichts mit Antisemitismus zu tun, der eine „Sünde wider Gott und die Menschen“ darstelle. Zugleich warnte er vor Bestrebungen einer „zionistischen Lobby“, den Antisemitismusvorwurf politisch zu instrumentalisieren.

Die Debatte zeigt, dass die Wunden, welche durch den christlichen Antijudaismus geschlagen wurden, längst nicht verheilt sind und die Beziehungen der Christen zu Menschen jüdischen Glaubens und zum Staat Israel nach wie vor besonderer Sensibilität bedürfen. Dass auch die Theologie fast 70 Jahre nach Auschwitz alles andere als unbedarft mit der Israelthematik umgehen sollte, wurde den IWM-Wissenschaftlern auch bei inhaltlichen Vorbereitung auf die diesjährige IWM-Jahrestagung sehr bewusst: näheres hierzu im jüngsten Werkstattbericht. (Jüdische Allgemeine)


Von: Simon Neubert

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