Der Studientag des IWM unter dem Titel „400 Jahre nach Ricci.
Vom Jesuitenmissionar im Reich der Mitte zur Kirche in China heute“ war mit Spannung erwartet worden. Unter der Leitung des Direktors Prof. Dr. Albert-Peter Rethmann und Dr. Markus Luber SJ – im Institut zuständig für den Bereich Kontextuelle Theologie und Inkulturation – informierten und diskutierten Fachreferenten und Teilnehmer zur Situation der katholischen Christen in China.
Gleich zu Beginn teilte Prof. Rethmann mit Bedauern mit, dass zwei Referenten, Bischof Peter Feng Xinmao und Pater Le Hua SJ, die Ausreise von den chinesischen Behörden kurzfristig versagt worden war – ein Hinweis auf die stets komplizierten sino-vatikanischen Beziehungen.
Aus Anlass des vierhundertsten Todestages Matteo Riccis SJ begann der Studientag mit einem historischen Rückblick auf die Anfänge der Jesuitenmission im Reich der Mitte. Dr. Rita Haub, Mitautorin von „Matteo Ricci und der Kaiser von China“, ging hierfür kurz auf die Biographie des Chinamissionars ein. Im zweiten Vortrag des Tages beleuchtete Dr. Paul Oberholzer SJ vom Historischen Institut der Jesuiten in Rom die Person und das Handeln des großen Chinamissionars im Kontext der Zeit. Dabei spielte sowohl die aufstrebende Seemacht der Portugiesen als auch das Bestreben der chinesischen Gelehrten nach der Wiederbelebung des Konfuzianismus eine große Rolle. Wie immer man die Geschichte bewerte, die beispiellose Offenheit und Wertschätzung mit der Ricci der chinesischen Kultur begegnete, sei seine große Stärke gewesen, so Oberholzer.
Die beiden Beiträge am Nachmittag skizzierten anschaulich die aktuelle Situation der Kirche in China, die immer mit den Folgen der Kulturrevolution und der damit einhergehenden Unterdrückung religiöser Vereinigungen zu kämpfen hat. Während Katharina Wenzel-Teuber, Chefredakteurin von „China heute“, und zwei chinesische Gäste vom China-Zentrum in Sankt Augustin den Anwesenden einen Einblick in den Alltag der Gläubigen in China verschafften, beschrieb Fr. John B. Zhang in seiner Funktion als Gründer und Leiter des Hilfswerks „Jinde Charities“ das vielseitige soziale Engagement der Ortskirche.
Alles in allem entstand durch den doppelten Fokus auf Geschichte und Gegenwart ein facettenreiches Bild. So wurde deutlich, dass das Fehlen einer theologischen Elite in China die Ortskirche vor große Herausforderungen stellt, die sich letztlich auch auf die Frage der Inkulturation des Glaubens und auf weltkirchlicher Vielfalt auswirken.
Von: Tobias Keßler