Bei der Frage nach dem Verhältnis der „Anhänger des (neuen) Weges“ (vgl. Apg 9,2) zu ihrer Umwelt ging es nicht um eine ethisch motivierte Gastfreundschaft oder um großherzige Gesten gegenüber Dritten; es ging vielmehr um den Kern des Evangeliums selbst. Die Osterbotschaft konnte nicht einer kleinen Elite gelten, sie war an alle gerichtet.
Es ist dank dieser Osterdynamik sicher auch kein Zufall, dass sich die alttestamentliche Bundesformel in Off 21,3 entgegen harmonisierender Übersetzungen in der entgrenzten Pluralform wiederfindet: „Er wird in ihrer Mitte wohnen, und sie werden seine Völker sein“.
Wir stehen heute in unseren Breiten vor ähnlichen Herausforderungen. Wird die zunehmende Marginalität auch in unseren Tagen zu einer zentrifugalen Erneuerung führen, oder beschränken wir uns auf die Fragen des Selbsterhalts bereits bestehender Strukturen? Die Antwort darauf scheint etwas damit zu tun zu haben, wie uns der Transfer der Botschaft von der Auferstehung in unseren Alltag hin gelingt. Auch unter den ersten Christen scheint ja die Öffnung auf die Völker hin nicht ganz ohne Schwierigkeiten verlaufen zu sein. Mit Bezug auf die Begegnung zwischen Petrus und Kornelius in Apg 10,1-11,18 schreibt Augusto Barbi: „Die lukanische Erzählung ist vor allem darum bemüht, die Vorurteile abzubauen, die ein Jude gegenüber dem fremden Heiden hegen konnte, indem er Kornelius als einen frommen Mann von einzigartiger Religiosität und Moralität darstellt: Der erste Schritt zur Aufnahme der Heiden besteht also darin, sie mit einem Blick zu betrachten, der frei ist von rigiden Schemata und ihre Werte zu schätzen weiß“ (Barbi, Augusto [2006], Il migrante/straniero narratore di speranza. In: Servizio Migranti 16 / 2, S. 116. Übersetzung TK). Wenn das Osterfest auch bei uns einen solchen Perspektivwandel bewirkt, dann kann die Auferstehung gewiss auch in unseren Tagen auf neue Weise erfahrbar werden.
Dieser Artikel folgt in groben Zügen den Ausführungen von Anna Fumagalli, vgl. Fumagalli, Anna (2010): Leggere la Bibbia nel contesto migratorio. In: Studi Emigrazione/Migration Studies 47 (178), S. 308–310.
Von: Tobias Keßler