Abgeschlossene Projekte
Kontextuelle Theologien in Indien
Etwa 25 Millionen Christen leben in Indien. Nach dem Zensus von 2011 sind das etwa 2,3 Prozent der Bevölkerung. Neben der denominationalen Verschiedenheit und unterschiedlichen geschichtlichen Entwicklungen differieren die Lebenswelten indischer Christen auch sozio-kulturell. Entsprechend befasst sich der Beitrag in Anlehnung an Gaudium et Spes mit dem indischen christlichen Kontext zunächst aus einer soziologischen Perspektive. GS 44,4 verweist auf die Entwicklung des gesellschaftlichen Lebens mit Blick auf das, was die Kirche sich von der Welt erhofft. Grundlage für diese Annäherung an christliche Theologie in Indien ist ein empirisch-qualitatives Forschungsprojekt. Die Analyse folgt der Methode der Grounded Theory, die in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts von Anselm Strauss und Barney Glaser entwickelt wurde.
In Anwendung des Theoretical Sampling und des Prinzips des ständigen Vergleichs haben sich aus dem erhobenen Datenmaterial vier theologische Orte herauskristallisiert, die in ihren theologischen Aussagen unterschiedliche Akzente setzen. So kann von vier kontextuellen Theologien die Rede sein, die idealtypisch als Inkulturationstheologie, Dalit-Theologie, Tribal-Theologie und Urban-Theologie benannt werden. Die Inkulturationstheologie betont den Dialog mit der kulturprägenden Tradition des Hinduismus. Die Dalit-Theologie entwickelte sich in Anlehnung an die lateinamerikanische Befreiungstheologie mit einer spezifischen Konzentration auf die sozio-religiösen Bedingungen der Kastendiskriminierung. Auch die Tribal-Theologie trägt befreiungstheologische Züge, die im Kontext indigener Ethnien gelesen werden müssen. Die Urban-Theologie beruft sich auf transkulturelle Momente des Christentums und äußert sich im kosmopolitischen Umfeld urbaner Zentren.
Das Projekt zeichnet vor dem Hintergrund der jeweiligen sozialen Lebenswirklichkeit die Grundzüge dieser Theologien nach und fragt nach den hermeneutischen Grundlagen der interkulturellen Dynamiken.
Kontakt: Markus Luber SJ
Mission: Bildung?
Als Ausgangspunkt des Forschungsprojektes „Mission: Bildung?“ lassen sich zwei spannungsvolle Beobachtungen festmachen: Zum einen nämlich zeigt sich das vielfältige Bildungshandeln der Katholischen Kirche als ganz wesentlicher Bestandteil ihres Wirkens in der Welt, welcher auf internationaler Ebene die Verwirklichung der Menschenrechte fördert und bei Gläubigen wie Nichtgläubigen weithin eine positive Resonanz erfährt. Über diese gesellschaftsbezogene Verortung hinaus jedoch wird bei weiterem Hinsehen zugleich offenbar, dass der in der Praxis alltäglich wahrgenommene Bildungsauftrag für das missionarische Selbstverständnis der Kirche dabei nur bedingt theologisch reflektiert und in ihm verankert worden ist. Dieses augenscheinliche Desiderat soll daher folgendermaßen untersucht werden:
1) Für die vertiefte Auseinandersetzung mit der Frage der Bedeutung des Bildungsparadigmas für das missionarische Handeln der Kirche hat zunächst eine umfangreiche Beschäftigung mit dem viel diskutierten Begriffspaar „Bildung/Erziehung“ zu erfolgen. Dazu wird u.a. die konkrete Rede von Bildung und Erziehung in verschiedenen wichtigen Dokumenten der Weltkirche sowie ausgewählter Ortskirchen in den Blick genommen, um in einer Art Bestandsaufnahme die gegenwärtigen Mängel und Potenziale derselben herauszuarbeiten.
2) Einen eigenen Zugang zu dem beschriebenen Problemfeld will das Forschungsprojekt daraufhin in einem zweiten Arbeitsschritt versuchen, indem es den Entwurf eines biblisch fundierten und systematisch reflektierten christlichen Bildungsbegriffs vorlegt. Denn Altes und Neues Testament legen hierfür gemeinsam eine aussichtsreiche Spur, welche die wechselseitige Beziehung zwischen menschlichen Bildungs- und Erziehungsprozessen und der Vermittlung und Annahme des Glaubens schon auf die Anfänge der Hinwendung Gottes zu den Menschen zurückführt. Darauf aufbauend kann sich im Folgenden die systematische Entfaltung eines genuin christlichen Bildungsparadigmas den anthropologischen, soteriologischen und ekklesiologischenGesichtspunkten widmen, welche gleichsam das Gerüst, die innere Struktur einer missionarischen Kirche ausmachen.
3) Hat das beschriebene Vorhaben den erhofften Erfolg, lässt sich so womöglich eine dezidiert theologische Verstehensweise von Erziehung und Bildung profilieren, die zugleich fruchtbare Impulse für den vielseitigen Einsatz der Kirche in diesem Bereich sowie auch ihr ureigenes Sendungsbewusstsein generell in sich birgt. Mit der kritischen Anfrage, ob und inwiefern das Bildungsparadigma auch als eine Art Selbstvollzug einer missionarischen Kirche gedacht werden kann, und dem damit einhergehenden Ausblick auf die möglichen praktischen Konsequenzen einer solchen Überlegung soll die Arbeit voraussichtlich ihren Abschluss finden.
Kontakt: Sr. Christiana Idika DMMM
Theol. Fortbildung Ruth
Informationen zur Theologischen Fortbildung „Rut“ finden Sie auf den folgenden Projektseiten:
https://iwm.sankt-georgen.de/forschung/projekte/theologische-fortbildung/
Säkularisierung interkulturell
Heilsame Tugend
Neue Formen gesellschaftlichen Engagements pfingstlich-charismatischer Akteure
Weltkirche vor Ort
Bildung als missionarisches Wirken der Kirche in Tansania
Im Forschungsprojekt „Bildung als missionarische Wirken der Kirche“ geht es um das Bildungsengagement der Katholischen Kirche im Rahmen ihrer missionarischen Sendung. Genauer gesagt sollen kirchliche Bildungsinstitutionen auf ihre missionarische Wirkung hin untersucht werden.
Erzieht die Kirche an ihren Kindergärten, Schulen und Hochschulen junge Menschen zu Christen? Darf sie das? Soll und will sie das überhaupt? Und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen kann christliche Erziehung gelingen?
Explizite und implizite Pädagogikkonzepte sollen im Rahmen des Projektes zunächst identifiziert und anschließend im Hinblick auf missionstheologische Gesichtspunkte bewertet werden. Es geht einerseits um die Frage nach einem ethisch verantwortbaren missionarischen Bildungsverständnisses für kirchliche Bildungsarbeit. Andererseits geht es um die Rolle von Bildung für die Evangelisierung junger Menschen. Dabei soll Theorie nicht nur eingleisig die Bildungspraxis reflektieren, sondern darüber hinaus mit ihr in einen kritischen Dialog treten.
Das wissenschaftliche Ziel des Projektes ist die Bestimmung eines tragfähigen christlichen Bildungsbegriffs und dessen systematische Einordnung im Rahmen einer zeitgemäßen Missionstheologie.
Kontakt: Simon Neubert
Katholische Kirche und HIV/AIDS in Afrika
In einem Beitrag aus dem Jahr 1966 für das Handbuch der Pastoraltheologie hat sich Karl Rahner mit der Tatsache beschäftigt, dass sich in vielen ethischen Fragestellungen ein Spannungsverhältnis zwischen theoretischer und realer Moral beobachten lässt. Er versteht darunter „die Differenz und die Unebenheiten im Verhältnis der gelebten Moral und der verkündeten theoretischen Moralpastoral“ . Diesen Graben zwischen gelebter Praxis und gelehrter Theorie hält er für eine der zentralen Herausforderungen – nicht nur für den moraltheologischen Diskurs, sondern gerade auch für die konkrete Seelsorge.
Besonders beunruhigt Rahner, dass sich dieser Graben nicht nur aufgrund eines Ungehorsams gegenüber der kirchlichen Lehre auftut, sondern dass es vielen Gläubigen einfach nicht möglich ist, die kirchlich verkündeten Moralvorstellungen in ihrem Leben umzusetzen: „Es kann durchaus der Fall sein, daß ein Mensch faktisch die formale Autorität der Kirche in Sittensachen anerkennt, einen bestimmten Spruch der Kirche hört und begrifflich versteht, ihn aber doch existentiell nicht zu ‚realisieren’ vermag.“ Für Rahner ergeben sich solche Dilemmasituationen beispielsweise dann, wenn Menschen zu stark unter dem Druck kollektiver Leitbilder oder wirtschaftlicher Belastungen stehen.
Beschäftigt man sich mit der HIV/Aids-Problematik, so stößt man ziemlich schnell auf diesen Graben zwischen gelehrter und lebbarer Moral. Ein besonders einschlägiges Beispiel ist das Phänomen diskordanter Paare. Hierbei handelt es sich um Paare, in denen ein Partner HIV-positiv ist, der andere HIV-negativ ist. Im subsaharischen Afrika ist die Infektion mit dem HI-Virus in diskordanten Partnerschaften – oftmals Ehen – einer der Hauptübertragungswege. Sollen die Partner und Eheleute nicht auf ihr Sexualleben verzichten, drängt sich die Frage der Prävention einer solchen Infektion auf. Hierzu zählt sicherlich eine gute ärztliche Versorgung – vor allem mit antiretroviralen Medikamenten –, auch die Lebensmittelversorgung ist ein wichtiger Faktor, schließlich wird man sich aber auch mit der Kondomfrage als einem der effektivsten Wege der Prävention befassen müssen.
In der Studie „Lehren aus den Antworten der katholischen Kirche auf HIV und AIDS in Afrika“ werden die Ergebnisse einer breit angelegten, internationalen Feldstudie zusammengefasst, die afrikanische und deutsche Theologen und Gesundheitsexperten zwischen 2010 und 2013 im Auftrag der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz in Äthiopien, Sambia und Malawi durchgeführt haben.
Bei der vom Institut für Weltkirche und Mission mit durchgeführten Studie zur HIV/Aids-Problematik im subsaharischen Afrika stießen wir immer wieder auf genau diese Dilemmasituationen. Angesprochen auf die Frage nach diskordanten Paaren sagte uns zum Beispiel ein Interviewpartner in einem Krankenhaus in Malawi: „Ich folge meinem Gewissen, das durch meinen Glauben und meine Arbeit bestimmt ist. Ich folge nicht den Regeln der Kirche oder meines Arbeitgebers.“ Auch andere Interviewpartner antworteten, dass letztlich das Gewissen die ausschlaggebende Instanz in solchen moralischen Konfliktsituationen ist. Eine Frau aus einer Selbsthilfegruppe in Äthiopien sagte allerdings auch, dass die Gewissenskonflikte für sie eine große Last seien: „Ich kenne die Lehre der Kirche, aber mir ist es nicht möglich, sie zu leben. Ich weiß zwar, dass ich letztlich meinem Gewissen folgen muss, aber trotzdem quält es mich, dass ich der kirchlichen Lehre nicht folgen kann.“
Die Frage der diskordanten Paare ist demnach ein Paradebeispiel für die von Rahner in die Diskussion gebrachte Differenz zwischen theoretischer und praktischer Moral. Solche konkreten Fälle, die uns in der Studie immer wieder begegneten, bringen zum Ausdruck, wie dringlich es ist, den Graben zwischen gelebter und gelehrter Moral zu überbrücken. Dies meint nicht, dass sich die Kirche jedem gesellschaftlichen Leitbild anpassen muss, aber sie ist dazu aufgefordert, in ihrer Lehre noch sensibler dafür zu sein, dass – wie Rahner es formuliert – „nicht in jedem Augenblick alles an sich Wünschenswerte und Seinsollende […] möglich“ ist. Einige afrikanische Bischofskonferenzen haben dies in Bezug auf die Frage diskordanter Paare bereits beherzigt, indem sie ihren Gläubigen dazu geraten haben, sich in solchen Fällen vor der Infektion entsprechend zu schützen.
Die im Rahmen der HIV/Aids-Studie durchgeführten Interviews haben gezeigt, dass viele afrikanische Katholikinnen und Katholiken gerade bei Fragen der Sexualität und Ehe der Kirche kaum noch Gehör schenken – ein Phänomen, das uns in Europa schon lange vertraut ist. Dies hängt vielfach damit zusammen, dass sich ihre Realität nicht mehr mit den kirchlichen Moralvorstellungen in Einklang bringen lässt. Was Rahner also für den europäischen Kontext diagnostiziert hat, trifft auch für Afrika zu: Will sich die Kirche in ethischen Fragen mehr Gehör verschaffen, muss sie weiter an einer Verringerung der Differenz zwischen theoretischer und praktischer Moral arbeiten.
Die aus dem Projekt hervorgegangene Publikation können Sie hier bestellen.
Kontakt: Gregor Buß
Mission und Global History
„Globalgeschichte ist kein neues ,Paradigma‘“, so schreibt der Konstanzer Historiker Jürgen Osterhammel, „sondern eine besondere Art und Weise des Hinsehens und Fragens, die in die meisten Teilgebiete der Geschichtswissenschaft inkorporiert werden kann. Es gibt eine globale Wirtschaftsgeschichte, eine Geschichte der Welt-Politik, spurenweise auch schon so etwas wie ,global intellectual history‘ usw.“ Die Absicht des Postdoc-Projekts „Mission und Global History“ ist, die Fruchtbarkeit der globalhistorischen Perspektive für das Gebiet der Kirchengeschichte zu erproben. Meint doch Globalisierung „den Aufbau, die Verdichtung und die zunehmende Bedeutung weltweiter Vernetzung“ (Osterhammel/Petersson) wie im Bereich von Politik, Wirtschaft und Kultur, so auch in demjenigen der Religion. Unter den religiösen Global Players dieser Welt nahm und nimmt aber die katholische Kirche eine herausragende Stellung ein. Eine wirklich globalgeschichtliche Würdigung hat ihre an Licht und Schatten so reiche Missionsgeschichte jedoch allenfalls in ersten Ansätzen erfahren. Einen Einsatzpunkt, wie er nach Raum und Zeit kaum geeigneter sein könnte, stellt die frühneuzeitliche Tätigkeit der 1622 eingerichteten römischen Missionszentrale, der Congregatio de Propaganda Fide, dar. Von wo aus, wenn nicht von hier, sollte sich die kirchenhistorische Aufmerksamkeit leichter „auf die Geschichte weltweiter Verflechtungen, ihres Aufbaus und ihrer Erosion, ihrer Intensität und Auswirkungen“ (Osterhammel/Petersson) lenken lassen?
Kontakt:Gregor Klapczynski
Zum Verhältnis von altmexikanischer Religion und Christentum im Dokument Nican Mopohua
Anhand der Begegnung des spanischen Christentums des XVI. Jahrhunderts mit der mexikanischen Nahua-Religion, wird das theologische Verhältnis beider Religionen geprüft und nach den Konsequenzen für das Missionsverständnis gefragt. Die Hauptquelle der historischen Analyse ist das Dokument „Nican Mopohua“ (Legende des Marienbildes von Guadalupe, aus dem XVI. Jahrhundert). Das Projekt untersucht ein konkretes Beispiel der historischen Synthesen von Kulturen und Religionen innerhalb missionarischer Prozesse.
Kontakt: Jorge Gallegos Sánchez