Auf zwei Treffen in Adigrat hatte Gregor Buß die Möglichkeit, führende Geistliche verschiedener Religionen nach ihrer Einstellung zu HIV/Aids zu befragen.
Der katholische Bischof der Diözese Adigrat, Abbune Tesfasselassie, betonte, dass die Bekämpfung von HIV/Aids zu den zentralen Aufgaben seiner Kirche zählt. Von dieser Krankheit seien so viele Menschen direkt oder indirekt betroffen, dass das entschlossene Handeln der Christen dringend erforderlich sei. Bischof Tesfasselassie verschwieg aber auch nicht, dass die Arbeit in diesem Bereich oftmals auf Widerstände stößt. So habe man noch immer mit der Diskriminierung HIV-positiver Menschen zu kämpfen. Auch fehle vielen Menschen der Mut, offen über die mit HIV/Aids verbundenen Fragen zu sprechen.
„Die Kirche muss begreifen“, so der Bischof, „dass sie selbst Patientin ist und immer wieder der Heilung bedarf. Dann wird ihr auch die Sorge um andere Kranke leichter fallen.“ Auf einem zweiten Treffen kam Gregor Buß mit den führenden Vertretern von OMCA (= Orthodox Muslim Catholic Association) zusammen. OMCA ist eine interreligiöse Organisation in Adigrat, die sich besonders um Menschen mit HIV kümmert. Als sie vor gut fünf Jahren gegründet wurde, ging es vor allem darum, die kranken Menschen in ihren Häusern zu besuchen und ihnen so zu zeigen, dass sie nicht vergessen sind.
Mittlerweile ist OMCA gewachsen und unterstützt HIV-positive Menschen auf vielfältige Weise, beispielsweise durch Stipendien für Studentinnen und Studenten. Die jüngste Initiative richtet sich an Prostituierte. Sie sollen von orthodoxen, muslimischen oder katholischen Geistlichen begleitet und unterstützt werden, so dass sich eventuell ein Ausweg aus ihrer schwierigen Lebenslage bietet.
Alle drei religiösen Führer, mit denen Gregor Buß sprechen konnte, waren sich darin einig, dass nur durch die gemeinsame Anstrengung aller Religionen das Problem von HIV/Aids in der Region Adigrat gelöst werden kann. „Es ist eine alte Tradition“, so der orthodoxe Priester, „dass wir uns hier gegenseitig unterstützen. Wenn zum Beispiel eine neue Moschee gebaut wird, spenden die Christen hierfür Geld. Umgekehrt unterstützen uns auch die Muslime beim Bau einer neuen Kirche. Bei HIV/Aids machen wir es genau so: wir unterstützen uns gegenseitig und wollen das Problem gemeinsam lösen.“
Von Gregor Buß