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Veranstaltung
AMP-Jahresakademie 2022
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Die AMP-Jahresakademie 2022 des Stipendienprogramms Albertus Magnus stand unter dem Vorzeichen der Synodalität. Neben der Präsentation und Diskussion der eigenen theologischen und philosophischen Forschungsprojekte ließen sich die Stipendiatinnen und Stipendiaten von Expertinnen und Experten über das aktuelle Thema informieren.
AMP-Jahresakademie unter dem Vorzeichen der Synodalität
Vom 5. bis 7. Oktober fand an der Phil.-Theol. Hochschule Sankt Georgen die Jahresakademie des Stipendienprogramms Albertus Magnus statt. Die Veranstaltung stellt ein Kernelement der Studienförderung dar: Neben der Präsentation und Diskussion der eigenen theologischen und philosophischen Forschungsprojekte lassen sich die Stipendiatinnen und Stipendiaten jedes Jahr von Expertinnen und Experten über aktuelle Themen in Theologie und Kirche informieren. Die Themenauswahl liegt in den Händen der Geförderten, so dass ein großes Interesse am inhaltlichen Austausch vorausgesetzt werden kann. Entsprechend stand die Jahresakademie 2022 ganz unter dem Zeichen der Synodalität, das die Kirche in Deutschland und weltweit in diesem Jahr im besonderen Maße beschäftigt.
Insgesamt verwies die Präsidentin des Synodalen Wegs auf Licht und Schatten beim bisherigen Prozess, der im kommenden März zu Ende gehen werde. Einerseits hätten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer durch die Verabschiedung mehrerer Grundlagen- und Handlungstexte wichtige Schritte unternommen, damit die katholische Kirche in Deutschland als synodale Kirche in einer demokratischen Kultur anschlussfähig werde. Insbesondere die Handlungstexte zur Einbeziehung von Gläubigen bei der Bischofswahl und die dauerhafte Etablierung eines Synodalen Rats in Deutschland zeigten in die Richtung, wie Synodalität über das Ende des „Synodalen Wegs“ hinaus gestärkt werden könne. Andererseits bestünden weiterhin große Spannungsfelder bei den Reformanliegen und beim gemeinsamen Prozess des Beratens und Entscheidens. Beispielsweise hätte der Eklat um den Grundtext zur Sexualmoral gezeigt, dass nicht alle Teilnehmende des Synodalen Wegs mit offenem Visier arbeiteten. Synodalität sei daher ein unabgeschlossenes Lernfeld: Es müsse die Fähigkeit erworben werden, sich einer kritischen Öffentlichkeit auszusetzen, zur eigenen Meinung zu stehen und einen Streit offen auszutragen – um danach wieder gemeinsam beten und Eucharistie feiern zu können. Dr. Stetter-Karp beschloss den Vortrag mit drei Thesen: Erstens sei eine Verantwortungsgemeinschaft wie der Synodale Weg im Unterschied zu den vorherigen Dialogprozessen erst einzuüben; zweitens gelänge das beschlussfassende Plenum trotz unterschiedlicher Kulturen, die aufeinandertreffen, durch eine hohe Arbeitsdisziplin und Verbindlichkeit bemerkenswert gut; und drittens sei hierbei die gemischte Sitzordnung in der Wirkung nicht zu überschätzen.
In der anschließenden Diskussion mit den AMP-Stipendiaten und Stipendiatinnen reagierte Frau Stetter-Karp auf den Eindruck, die katholische Kirche in Deutschland wolle die globale Kirche insgesamt vor sich hertreiben und provoziere dabei ein Schisma. Vielmehr suche der Synodale Weg nach Lösungen für die anstehende Problematik hierzulande, die spätestens seit der Veröffentlichung der MHG-Studie und dem Bekanntwerden zahlreicher Fälle von sexuellem Missbrauch Minderjähriger ins Bewusstsein der Gläubigen getreten sei. Vor diesem Hintergrund erhebe man keineswegs den Anspruch, Lösungsvorschläge für die Herausforderungen in anderen Kontexten zu entwickeln. Stattdessen wolle man hierzulande einen dringend erforderlichen Erneuerungsprozess anstoßen, ohne den die Kirche in Deutschland degenerieren würde. Hierbei gelte es, einen kirchenrechtlichen Spielraum für Reformen auszuloten, d.h. zwischen praktischen Maßnahmen zu unterscheiden, die die Bischöfe in Deutschland jetzt schon umsetzen könnten, und berechtigten Fragen, die zwar nicht partikular entschieden werden könnten, aber dringend in den weltweiten synodalen Prozess eingebracht werden sollten. Zu letzteren zählte sie z.B. die Frage nach der Frauenweihe. Gleichwohl war die Präsidentin des Synodalen Wegs der festen Überzeugung, dass es nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern einen Reform- und Erneuerungsbedarf der Kirche gebe. Dies hätten ihr immer wieder die externen Beobachter des Synodalen Wegs, die aus anderen Ländern zu Gast waren, mitgeteilt.
Ein Komplementär zu den erfahrungsbasierten Analysen von Dr. Stetter-Karp stellte der Vortrag von Dr. habil. Bernhard Knorn SJ dar, der an der PTH Sankt Georgen den Lehrstuhl für Dogmatik und Ökumene vertritt. Er berichtete von verschiedenen Gesprächen im Ausland über den Synodalen Weg, bei denen er zu anfangs auf ein großes Unverständnis gegenüber dem deutschen Sonderweg gestoßen sei. Da diese Reaktion aber weitgehend auf Fehlinformationen basiere, habe er im weiteren Gesprächsverlauf ein wachsendes Verständnis für das Anliegen der Kirche in Deutschland wahrnehmen können. Denn trotz der unterschiedlichen Formate (Synodaler Weg in Deutschland – Synodaler Prozess weltweit) werde der Wunsch nach einem interkulturellen Verständigungsprozess geteilt und als Bereicherung angesehen. Gleichwohl betonte Pater Knorn, dass eine solide theologische Grundlage für Synodalität fehle, die auch nicht im Zweiten Vatikanischen Konzil geleistet worden sei. Zwar sehe der CIC mit seinen kirchenrechtlichen Bestimmungen zu Konzilien und Synoden konkrete synodale Gremien vor, die für kirchliche Beratungs- und Entscheidungsprozesse auf verschiedenen Ebenen konstituiert werden könnten. Aber gleichzeitig bestünden mehrere ekklesiologische Hindernisse, welche die Realisierung einer synodalen Kirche erschwerten: Zum einen gelte derzeit das Prinzip der Kollegialität der Bischöfe als Konstruktionspunkt für eine Entscheidungskompetenz nur in der Ausnahmesituation eines organsierten allgemeinen Konzils; ferner bestünde ein greifbarer Antagonismus zwischen den dezentralen Ortskirchen und der zentralistischen Universalkirche, die theologisch vorgeordnet sei; und drittens werde der Anteil des Volkes Gottes am prophetischen Amt Christi, der zugleich den sensus fidei aller Gläubigen begründe, im Gegenüber zur bischöflichen Lehr- und Leitungsvollmacht bestimmt. An diesen drei Beispielen könne man erkennen, dass sich in der katholischen Kirche wichtige ekklesiologische Prinzipien in Oppositionen befänden.
Um diese Spannungen auflösen zu können, lohne laut Pater Knorn ein ökumenischer Blick in andere christliche Kirchen: So zeige etwa die Synodalkonzeption der evangelisch-lutherischen Kirche, wie das Volk Gottes anstelle der bischöflichen Kollegialität zum Konstruktionspunkt für Synodalität werden könne. Orthodoxe Kirchen könnten als Inspirationsquelle für synodale Verfahren dienen, die eine interkulturelle Gestaltung der kirchlichen Einheit bei subsidiärer Ortskirchlichkeit gewährleisteten. In beiden Kirchen sei nicht die Rede davon, Fragen der Glaubenslehre demokratisch zu verhandeln und mehrheitlich zu beschließen, sondern die Praxis des Glaubens in bestimmten kulturellen Kontexten subsidiär zu gestalten. Hierbei zeige sich, dass ernsthafter Dialog und wirksame Beratung institutionelle Strukturen der Beteiligung erforderten.
Wenn laut Papst Franziskus der Weg der Synodalität das sei, „was Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends“ erwarte, dann müssten die beschriebenen Oppositionen der ekklesiologischen Prinzipien überwunden werden. Insbesondere gelte es, das hierarchisch-primatiale Prinzip in eine differenzierte Konzeption von Synodalität einzubinden, die eine subsidiäre Beratungs- und Entscheidungskompetenz anerkennt. In der anschließenden Diskussion machte Pater Knorn deutlich, dass die theologische Grundlagenarbeit im Anschluss an das Zweite Vatikanische Konzil noch geleistet werden müsse – wenn dazu nicht sogar ein drittes ökumenisches Konzil erforderlich sei, das in aller Konsequenz unter neuen, partizipativeren Vorzeichen organisiert werde.
Das engagierte Gespräch zum Schwerpunktthema mit den Stimmen der Stipendiatinnen und Stipendiaten aus verschiedenen Kontinenten und Kontexten zeigte einmal mehr, dass die Weiterentwicklung einer synodalen Kirche ein übergreifendes Bedürfnis ist. Gleichzeitig aber, so der Tenor, sollte der synodalen Ausgestaltung ein Rahmen gesetzt werden, damit die Kirche weiterhin katholisch bleibt. Vielleicht trägt schon die anstehende Bischofssynode dazu bei, diesen Rahmen neu zu definieren, der einen geschützten Freiraum für kontextuelle Zugänge schafft?