Der Internet Explorer wird von Microsoft nicht mehr unterstützt. Bitte verwenden Sie einen anderen Browser.
Stipendiaten b
f
D

Missionsgeschichte v

Der Wunsch Gegenwart und Zukunft der Mission zu verstehen, schließt die gründliche Analyse der eigenen Vergangenheit ein: Laut dem Missionswissenschaftler Bosch ist es „weder möglich noch sinnvoll […], eine erneute Definition der Mission anzustreben, ohne einen gründlichen Blick auf die Wechselfälle der Missionen und der missionarischen Idee während der letzten zwanzig Jahrhunderte der christlichen Kirchengeschichte zu werfen“.

Bosch 2012 : 9

  • Wissenschaftliche Mitarbeiterin – Missionsgeschichte
dillenseger@iwm.sankt-georgen.de
Bildquelle: Missionsbenediktinerinnen von Tutzing
Angesichts der Herausforderungen der Globalisierung und einer multikulturellen und -religiösen Gesellschaft kann die Erforschung der Missionsgeschichte dazu beitragen, Antwortversuche zu formulieren, wie das Zusammen-Leben im Sinne des Evangeliums gelingen kann.

„Darum geht zu den Völkern und macht alle Menschen zu meinen Jüngern“ (Mt 28, 19)

Ohne Hingehen, ohne Kontaktaufnahme mit Menschen anderer Kulturen und Religionen ist christliche Mission nicht zu denken. Im Forschungsfeld Missionsgeschichte werden unterschiedliche Formen des missionarischen Engagements von den Anfängen des christlichen Glaubens bis hin zur Gegenwart untersucht. Die missionsgeschichtliche Forschung am Institut für Weltkirche und Mission (IWM) orientiert sich an den folgenden Leitgedanken:
Die Universalität des Heilshandelns Gottes: Zu den Völkern und alle Menschen
  • c

    „(…) einerseits wird die kulturelle Wurzel der Heilsnachricht durch ihre Universalisierung relativiert, andererseits werden die Kulturen der Heidenwelt entstigmatisiert und dazu legitimiert, die Botschaft von der universalen Menschenliebe Gottes gültig auszudrücken – keine Kultur ist privilegiert, keine unberührbar“ (Urstorf 1996 : 31).

Im Christentum ist keine Kultur privilegiert und das Evangelium richtet sich grundsätzlich an alle Menschen. Eine kritische Betrachtung der Geschichte der Mission schließt daher auch die Auseinandersetzung mit historischen Ereignissen ein, die von Machtbeziehungen, Ungleichheit und Ungerechtigkeit geprägt sind. Die Missionsgeschichte steht vor der Herausforderung eine Sprache zu finden, welche die Gleichberechtigung der Ortskirchen auf den verschiedenen Kontinenten zum Ausdruck bringt.
Missionsgeschichte ist „Verflechtungsgeschichte“
Der Forschungsgegenstand der Missionsgeschichte sind die unterschiedlichen Formen des missionarischen Engagements von den Anfängen des christlichen Glaubens bis zur Gegenwart. Die Forschungsperspektive ist eine Frage der Sichtweisen: Die traditionelle Missionsgeschichte blickt als „Missionarsgeschichte“ (Müller 1995 : 82) ausgehend von Europa auf die Länder des globalen Südens. Die enge Verknüpfung zwischen der Geschichte der Mission und der Kolonialisierung verlangt eine selbstkritische Reflexion und Hinterfragung der eigenen Motivation. Die einseitige Unterteilung der Akteure in Subjekte und Objekte der Mission wird dem eigenständigen Selbstverständnis der christlichen Kirchen im außereuropäischen Raum nicht gerecht und verwehrt sich der Einsicht, dass der eigentliche Gegenstand der Missionsgeschichte die Kirchengeschichte eines jeweiligen Landes ist. Zugleich verweisen Karl Müller und Werner Urstorf darauf, dass „die afrikanische Missionsgeschichte so intim mit der europäischen Real- und Ideengeschichte verbunden ist, dass die dadurch bedingte Vielschichtigkeit der Themenlage mehrseitige und verschiedenartige Zugänge erforderlich macht und darum auch unser eigenes Vorgehen hinreichend rechtfertigt“ (Müller 1995 : 92). Verflochten ist die Missionsgeschichte zudem mit den Geschichts- und Kulturwissenschaften. Mission ereignet sich in Kontaktzonen interkultureller Begegnung (vgl. Pratt 1992). Welche Rolle die Mission in den historischen Prozessen der Globalisierung eingenommen hat, untersucht Rebekka Habermas in „Mission Global. Eine Verflechtungsgeschichte des 19. Jahrhunderts“ (2014). Intercultural Contact Zones stehen im Mittelpunkt des Interesses theologischer Forschungsansätze, die als verstehende und dialogische Missionswissenschaft im engen Austausch mit den oben genannten Disziplinen untersuchen, wie interkulturellen Begegnungen Leben, Einstellungen, Sichtweisen und Glauben der Beteiligten formen (Vgl. Becker 2015; Eckholt 2017).
Bildquelle: Missionsbenediktinerinnen von Tutzing
Missionarinnen als Vermittlerinnen „ZwischenWelten“
Frauen sind in der Vergangenheit oft wenig beachtete Akteure in der Missionsgeschichte obgleich sie während des „Missionsjahrhunderts“ (Sievernich 2009 : 91) zahlenmäßig einen großen Anteil des Missionspersonals ausmachten. Das „Handbuch der katholischen Missionen“ nennt 298 europäische Frauenkongregationen, die 1923 in der Mission tätig waren (Vgl. Arens 1925 : 92). Margit Eckholt bezeichnet Missionarinnen als „transkulturelle Akteurinnen“, die „ZwischenWeltenLeben“ und verweist auf ihre Stellung in einem Zwischenraum der interkulturellen Begegnung (Vgl. Eckholt 2017):

 

  • zwischen Europa und dem globalen Süden
  • zwischen der männlich geprägten Kirche und den einheimischen Frauen
  • zwischen einem kolonialen Blick und dem interkulturellen Miteinander
  • zwischen der Konfrontation mit dem Leid der Armen und der Verkündigung vom Anbruch des Reiches Gottes.

 

Die Fragen nach der Darstellung der Frauen in den historischen Quellen der Missionsgeschichte, nach den Geschlechterverhältnissen in der Mission, nach dem Auftrag von Missionarinnen in der Katholischen Kirche sowie nach dem Selbstverständnis als Frau in der Begegnung mit dem Fremden sollen in der missionsgeschichtlichen Forschung am IWM Beachtung finden.

Literatur
  • Y

    Arens, Bernard S.J.: Handbuch der Katholischen Missionen, Freiburg 1952.

  • Y

    Becker, Judith: European Missions in Contact Zones. Transformation through Interaction in a (Post-) Colonial World, Göttingen 2015.

  • Y

    Bosch, David J.: Mission im Wandel. Paradigmenwechsel in der Missionstheologie, Gießen 2012.

  • Y

    Eckholt, Margit: ZwischenWeltenLeben – Missionarinnen als transkulturelle Akteurinnen. Impulse für eine feministische Missionswissenschaft aus systematisch-theologischer Perspektive, in: ZMR 101 (2017), 46-63.

  • Y

    Habermas, Rebekka/Hölzl, Richard (Hg.): Mission Global. Eine Verflechtungsgeschichte seit dem 19. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2014.

  • Y

    Müller, Karl/Urstorf, Werner (Hg.): Einleitung in die Missionsgeschichte. Tradition, Situation und Dynamik des Christentums, Stuttgart/Berlin/Köln 1995.

  • Y

    Pratt, Mary Louise: Imperial Eyes. Travelling writing and transculturation, London/New York 1992.

  • Y

    Sievernich, Michael: Die Christliche Mission. Geschichte und Gegenwart, Darmstadt 2009.

  • Y

    Urstorf, Werner: Dornröschen, oder die Missionsgeschichte wird entdeckt, in: Heyden, Ulrich van der/Liebau, Heike (Hg.): Missionsgeschichte, Kirchengeschichte, Weltgeschichte. Christliche Missionen im Kontext nationaler Entwicklungen in Afrika, Asien und Ozeanien, Stuttgart 1996, 23-37.