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IWM-Studientag 2019: „lebenslänglich“
Unter dem Leitwort „lebenslänglich“ fand am 24.10. an der Phil.-Theol. Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt a. M. der IWM-Studientag 2019 statt.
Die Bemühungen konzentrierten sich vor allem darauf, das lebenslange „Ringen von migrierten und geflüchteten Menschen um Anerkennung und gleichberechtigte Partizipation in Gesellschaft und Kirche“ transparent zu machen. Denn die Erfahrung dieser Menschen zeigt deutlich, dass ungeachtet bester rechtlicher, politischer und gar ökonomischer Rahmenbedingungen ein „unsichtbares“ Spannungsfeld zwischen „gewährter Anerkennung“ und „empfundener Teilhabe“ besteht. Noch komplexer wird diese Spannung, wenn die Asymmetrie der Beziehungen in den Blick genommen wird. Vor diesem Hintergrund wurde die Tagung als ein „Gespräch“ zwischen theoretischen Überlegungen und praktischen Initiativen bezüglich dieses Problemfeldes konzipiert und auch durchgeführt.
P. Dr. Tobias Keßler führt in die Thematik ein
Ablauf
Zu den theoretischen Überlegungen gehörte besonders der Vormittag. Nach der Begrüßung des kommissarischen Leiters des Instituts für Weltkirche und Mission (IWM) führte P. Tobias Keßler, der Organisator dieser Tagung, das Publikum in die Thematik ein. In seinem Vortrag begründete er Differenz und Vielfalt vor allem theologisch und deutete diese als eine einzigartige Chance für persönliche wie gesellschaftliche Entwicklung. Er wies auf mögliche Gefahren hin, wie z. B. das, was er „Beziehungsfalle“ nennt, und die Opferrolle. Mit Ersterem meint er, sich auf Schulz von Thun berufend, den Sachverhalt, dass man dazu tendiert, andere Menschen anhand der eigenen Wertskala zu be- oder verurteilen. Letzteres kann unter Umständen als Machtstrategie angewandt werden und soll von „echten“ Opfersituationen unterschieden werden. Abschließend gab er den Teilnehmenden einige für den Tag anregende Fragen mit: Genügt für ein gelingendes Zusammenleben einfach der Erhalt der sozialen Ordnung? Genügt dafür der Verfassungspatriotismus? Wie kann man Asymmetrien in Beziehungen überwinden? Wie kann man die eigene Wahrnehmung verändern? Wie kann man blinde Flecken beseitigen?
Frau Prof. Dr. Heimbach-Steins’ Vortrag
P. Keßlers einführende Überlegungen zur Thematik fanden im darauf folgenden Vortrag von Frau Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins eine gewisse Fortsetzung und eine theoretische Vertiefung. Die an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster lehrende Sozialethikerin stellte in den Mittelpunkt ihrer Reflexion in besonderer Weise das Verhältnis zwischen „Anerkennung“ und „Teilhabe“. Sie teilte ihren Beitrag in zwei Hauptteile auf. Im ersteren, eher narrativ aufgebaut, wies sie auf Autoren wie Chimamanda Ngozi Adichie und David Foster Wallace hin, welche auf sehr anschauliche Weise auf zwei problematische Sachverhalte aufmerksam machen: Die Gefahr einer einzigen Erzählung (the danger of a single story) bzw. unserer Standardeinstellung (default setting). Im zweiten Teil entfaltete Frau Heimbach-Steins ihre theoretische Reflexion zu dieser Thematik. Diese gründete vor allem auf der kritischen Anerkennungstheorie der US-amerikanischen Philosophin Judith Butler, die in Deutschland besonders durch Anna Maria Riedl rezipiert wurde.
Am Nachmittag standen vorwiegend Akteure, Akteurinnen und Initiativen in Bezug auf Migration, Integration und Anerkennung im Mittelpunkt. Die Teilnehmenden hatten die Gelegenheit, an vier unterschiedlichen Arbeitsgruppen teilzunehmen. Diese Gruppen wurden jeweils durch vier Moderatoren geleitet, die von ihren praktischen Bezügen, Erfahrungen und Initiativen berichteten. Die AG 1 leitete der in der Flüchtlingshilfe engagierte Hochschulpfarrer Burkard Hose. Der evangelische Theologe Dietrich Gerstner berichtete in der AG 2 von seiner Erfahrung in der Diakonischen Basisgemeinschaft Brot und Rosen (Hamburg). Die Soziologin Hanna Slowinski war für die Moderation der AG 3 vorgesehen, in die sie ihre Erfahrung mit Gemeinden anderer Muttersprache im Bistum Hildesheim und dem Katholisch-Internationalen-Zentrum-Hannover (KIZH) einbringen sollte, musste aber kurzfristig krankheitsbedingt leider absagen. Die AG 3 übernahm dann kurzfristig dankenswerterweise die am IWM als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätige Sr. Dr. Christiana Idika DMMM, die mit den Teilnehmenden über ihre philosophischen Überlegungen zum Thema „Anerkennung“ sowie ihre Erfahrung mit afrikanischsprachigen Gemeinden in Deutschland diskutierte. Die Teilnehmenden der AG 4 lernten den evangelischen Pfarrer, Künstler und Theologen Johannes Weth kennen sowie den von ihm mitgegründeten Himmelsfels (bei Spangenberg).
Graphic Recording
Eines der Highlights dieser Tagung war zweifelsohne das „Graphic Recording“. Parallel zu den vorgetragenen Beiträgen der Experten und Expertinnen stellte Florence Dailleux all das bildlich dar, was sie hörte. Auch ihr Bild schaffte einen wichtigen Zugang zur Thematik.
Frau Dailleux (rechts) und ihr Werk im Hintergrund
Workshop
Ein weiterer Gewinn für die Diskussion zum Thema war der Workshop, der am folgenden Tag im Matteo Ricci-Raum am IWM stattfand. Daran nahmen alle auf der Tagung mitwirkenden Expertinnen und Experten aus Praxis und Theorie teil. Am Vormittag gab es einen vertieften Austausch über einige Fragen, die auf der Tagung offengeblieben waren oder nur oberflächlich behandelt werden konnten. Ausgangspunkt waren die Fragen und Kommentare, die die Teilnehmenden über die Software Mentimeter zurückgemeldet hatten. Am Nachmittag richteten die Teilnehmenden ihren Blick nach vorne auf die Publikation, die aus dieser Tagung entstehen soll. Auch die Ergebnisse dieses Workshops wurden in einem Graphic Recording von Florence Dailleux festgehalten.
Der Workshop wurde von Alexander Kalbarczyk, dem Referenten der Deutschen Bischofskonferenz für politische und gesellschaftliche Fragen der Migration, moderiert. Daran nahmen Arnd Bünker, Leandro Fontana, Drea Fröchtling, Dietrich Gerstner, Christiana Idika, Tobias Keßler, Regina Polak, und Katja Winkler. Klara Csiszar, Burkhard Hose, Hanna Slowinski sowie Christian Spieß konnten krankheitsbedingt nicht am Workshop teilnehmen.
Das Graphic Recording der beiden Tage wird zeitnah im Internet zur Verfügung gestellt, die ersten Vorbereitungen für die Publikation haben begonnen.
- ehem. wissenschaftlicher Mitarbeiter – Politischer Pentekostalismus
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Fotos: Mina Jung
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