Katholische Priester sind in den meisten ostmitteleuropäischen Ländern (wie Polen, die Ukraine, die Slowakei, Rumänien, Ungarn, Serbien, Kroatien usw.) in der Weihnachtszeit selten in ihrem Pfarrhaus zu erreichen. In Rumänien starten die meisten Priester bereits am zweiten Weihnachtstag mit zwei ihrer Ministranten und einem Kantor, um die Wohnungen der Gläubigen zu segnen. Viele von ihnen sind bis zum Fest der Heiligen Drei Könige oder sogar darüber hinaus von morgens bis abends unterwegs. Es ist eine intensive Zeit. Priester, die auf ihrem Pfarrgebiet weniger Gläubige haben, helfen in größeren Pfarrgebieten ihren Kollegen aus, denn es kann gut passieren, dass ein Pfarrer über 1.000 Häuser in knapp zwei Wochen zu segnen hat. Die meisten Gläubigen können sich nämlich den Jahresbeginn ohne den priesterlichen Segen mit Weihwasser und Weihrauch nicht vorstellen. Der Priester wird fast in jedem Haus erwartet. Es gehört einfach zur Weihnachtszeit, dass der „Priester kommt“ – wie das ganz einfach im Alltag ausgedrückt wird. Selbst, wenn man sich sonst nicht als sehr religiös bezeichnet, wird eine priesterliche Haussegnung erwünscht.
Die Zeit der Haussegnungen ist für die Priester zwar anstrengend, doch sie machen es gern, denn einmal im Jahr haben sie die Gelegenheit mit den meisten Gläubigen in ihren Wohnungen ins Gespräch zu kommen, zu erfahren wie es der Familie geht, wo die Kinder sind, welche Freude, welche Ängste sie haben. Die meisten Priester betrachten solche Gespräche als einmalige Chance, die Gläubigen dort zu treffen, wo sie leben, sie so zu treffen, wie sie leben. Und diese Chance nutzen die Pfarrer sehr gerne. Sie nehmen sich die Zeit vielleicht mal auch einen Kaffee zu trinken, ein Stück Kuchen zu essen, sich etwas aufzuwärmen und dabei der Familie zuzuhören. Sogar auch, wenn sich die Tage der Haussegnungen so um zwei-drei Tage verlängern, sie nehmen sich die Zeit und die Mühe, weil die Menschen das gerne haben.
Die Praxis der Hausegnungen auf dem Gebiet des ehemaligen Ungarischen Königreichs geht bis zum 15. Jahrhundert zurück und wird bis heute praktiziert. Auf dem heutigen Gebiet Rumäniens, aber auch in den meisten postkommunistischen Ländern, war sogar im Kommunismus die Praxis der Haussegnungen geduldet und die Priester nutzten die Gelegenheit, die Gläubigen zu treffen. Erinnerungen aus der Zeit des Kommunismus bezeugen, wie wichtig es für die Gläubigen war, ihren Pfarrer, der ihnen Hoffnung und Aufmerksamkeit und Mut in einer Zeit schenkte, wo die Gesellschaft von Angst geprägt war, zu treffen. Die älteren Priester erinnern sich auch sehr gerne an die Haussegnungen, und erzählen, dass diese eine der wenigen pastoralen Momente waren, wo Priester und Gläubige einander persönlich begegneten und miteinander aufrichtig ins Gespräch kamen.
Auf den Empfang der Haussegnung bereitet sich heute die ganze Familie vor. Es wird im Voraus angekündigt, an welchem Tag der Priester mit seiner Begleitung zu der Familie kommt. Ein Ministrant hat die Rolle eines Boten, er klingelt zuerst bei der Familie, fragt ob sie die Haussegnung wünscht. Bei positiver Antwort, zeichnet er ein Kreuz an die Tür mit einer Kreide, dann weiß der Priester, wo er einkehren soll. Der Boten-Ministrant zieht nämlich weiter zum nächsten Haus, das auf seiner Liste steht. Der Priester und seine Begleitung ziehen singend in die Wohnung ein. Die Haussegnung hat einen festen liturgischen Ablauf: Kreuzzeichen, Begrüßung der Bewohner, Bitte um den Segen Gottes, Beweihräucherung und Besprengen der ganzen Wohnung mit Weihwasser, Vaterunser, Gegrüßet seist du Maria, Gesang und am Ende Kuss des Kreuzes von allen anwesenden katholischen Hausbewohnern. Beim Abschied wird 2016 die Tür der gesegneten Wohnungen in folgender Weise bezeichnet: 20+C+M+B+16 (Christus mansionem benedicat) oder 20+G+M+B+16 (Caspar/ung. Gaspar, Melchior, Balthasar).
Es werden aber in der Weihnachtszeit bzw. am ersten Arbeitstag danach nicht nur Wohnungen gesegnet, sondern Büros, Arbeitsplätze in allen kirchlichen Einrichtungen, katholische Studentenwohnheime, Klassenräume in katholischen Schulen. Am Ordinariat zum Beispiel segnet der Bischof alle Büroräume in der Anwesenheit der Angestellten, in katholischen Studentenwohnheimen segnet der Hochschulseelsorger alle Zimmer und Räumlichkeiten in der Anwesenheit der Bewohner. Räumlichkeiten einer theologischen Fakultät werden meistens vom Dekan in Anwesenheit der Studierenden gesegnet. In solchen Fällen gehört natürlich auch eine kleine Agape dazu, ein gemütliches Beisammensein mit den Kollegen, Kommilitonen oder Mitbewohnern.
Die Praxis der Haussegnungen in der Weihnachtszeit kennen und praktizieren auch die orthodoxen Kirchen in Ost- und Südeuropa.
Hier ein kleiner Videobeitrag aus dem Jahr 2014 zur Haussegnung in der katholischen Studentenwohnheim Heiliger Ladislav, Oradea (Rumänien).