Conference Political Pentecostalism
Herzlich willkommen auf der Webseite der internationalen Konferenz „Politischer Pentekostalismus 2021“.
Tag 1: Mittwoch, 28. Juli.
Pentekostalismus, Politik und Identität in globaler Verflechtung
Es besteht ein breiter Forschungskonsens, dass rechtsgerichtete autoritäre Politiker wie Rodrigo Duterte, Donald Trump oder Jair Bolsonaro ihren Erfolg Pentekostalen und Evangelikalen Unterstützungskreisen verdanken. Eine zentrale Rolle spielen dabei Praktiken, die unter dem Schlagwort geistliche Kampfführung (spiritual warfare) zusammengefasst werden und als Ausdruck einer Affinität zwischen Pentekostalismus und rechtsgerichtetem Autoritarismus gedeutet werden. Ausgehend von ethnographischem Material, das in den Philippinen gesammelt wurde, möchte ich die These eines inhärenten Zusammenhangs zwischen geistlicher Kampfführung und demokratiefeindlichem, rechtsgerichteten Autoritarismus diskutieren. Dabei soll es auch um die Frage gehen, inwiefern die Forschung zu Religion und Politik von einer nordatlantisch-eurozentrischen Schieflage dominiert wird, die antidemokratische Tendenzen im Pentekostalismus im globalen Süden befördert.
Alle regionalen Statistiken zeigen einen stetigen Rückgang des Katholizismus in Lateinamerika in den letzten fünfzig Jahren und zugleich ein Wachstum der evangelikalen Bewegung fast im gleichen Verhältnis wie der katholische Rückgang. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, wird es beispielsweise in den mittelamerikanischen Ländern im nächsten Jahrzehnt eine pfingstlerisch-evangelikale Mehrheit geben, während der Katholizismus zur ersten religiösen Minderheit wird, nachdem er fünf Jahrhunderte lang das religiöse Monopol innehatte. Parallel zum zahlenmäßigen Wachstum begannen lateinamerikanische Evangelikale in den 1980er Jahren in die Parteipolitik einzutreten. Heute, mit einem neuen neopentekostalen Akzent, sind sie nicht nur aus dem Apolitizismus herausgewachsen, der sie charakterisierte, sondern haben politische Bewegungen und Parteien gebildet, die versuchen, alle Ebenen der Macht zu erreichen. Zu diesem Zweck haben sie sich oft mit einem Teil des lateinamerikanischen Katholizismus zusammengetan und de facto eine noch nie dagewesene „politische Ökumene“ geschaffen. Die Analyse dieses neuen sozialen, religiösen und politischen Phänomens erforderte auch das Bemühen, die klassischen soziologischen und politischen Kategorien zu erneuern, da diese in der Praxis überholt geworden sind. Außerdem verlangte sie eine größere hermeneutische Anstrengung, um neue theologische Konzepte zu verstehen, die (Neo-)Pfingstler gegenwärtig verwenden, um ihr politisches Engagement als ein Mandat Gottes und eine Erweiterung ihrer kirchlichen Mission zu begründen.
Tag 2: Donnerstag, 29. Juli
Anhand des Begriffs der öffentlichen Religion werden in diesem Beitrag drei Aspekte des Pentekostalismus-Phänomens in Lateinamerika und Brasilien beleuchtet. Der erste geht auf die Prozesse der soziodemographischen Veränderungen der christlichen Landschaft ein, in denen das pfingstlerische Wachstum sowie die Theologie der Herrschaft, des Wohlstands und der spirituellen Kriegsführung eine entscheidende Rolle beim Einstieg in das Szenario der politischen Repräsentation, des Wahlkampfs und der Besetzung verschiedener Machtsphären spielen. Der zweite nimmt in den Blick, wie die demokratischen Prozesse die Beteiligung von demographischen und indenitären Minderheiten, darunter die Pfingstchrist:innen, an den legislativen Sphären des Staates ermöglichen. Doch auch wenn diese religiösen Akteure von dieser Möglichkeit profitiert haben, um ihre öffentliche Sichtbarkeit zu sedimentieren, führen sie eine Kampagne der Intoleranz gegenüber religiösen und sexuellen Minderheiten durch. Die dritte Dimension befasst sich mit der reaktiven Politisierung rund um die „Gender-Ideologie“, durch die pfingstlerische Sektoren ein Machtprojekt umzusetzen suchen, das darauf abzielt, eine christliche Nation, eine politische Ökumene und eine Ausrichtung auf die neoliberale und konservative Agenda zu etablieren und damit die neue christliche Rechte auf dem Kontinent zu stärken.
Diese Präsentation stellt die wissenschaftliche Landschaft des sozialen und politischen Engagements der Pfingstkirchen in Asien dar. Ausgehend von der umfangreichen Literatur über die Pfingstbewegung in den verschiedenen Regionen Asiens sollen in diesem Beitrag diese Formen des Engagements charakterisiert werden. Drei Formen des sozialen und politischen Engagements stehen dabei im Vordergrund: zivilgesellschaftliches Engagement, öffentliche Moralität und politische Partizipation. Nach der Erläuterung dieser Engagementformen wendet sich die Präsentation der Konzeptualisierung der sozialen und politischen Arbeit der Pfingstbewegung in Asien zu. Im Gegensatz zu früheren Arbeiten über das Aufkommen eines progressiven Pentekostalismus im Globalen Süden ist der Begriff „engagierter Pentekostalismus“ eine angemessenere Bezeichnung für die asiatische Erfahrung. Der Begriff bezieht sich auf die Bewegung innerhalb pfingstlerischer und charismatischer Gruppen, die von dem Wunsch angetrieben werden, relevant zu sein und das zu korrigieren, was sie als soziale und politische Missstände ansehen, um sich an den Angelegenheiten der Gegenwart zu beteiligen.
Dieses Forum bietet einen Überblick über Pentekostalismus und Politik in Nigeria, welcher im größeren Kontext der dynamischen Interaktion von Glaube und Politik in diesem Land zu verorten ist. In Anbetracht der Tatsache, dass das Aufkommen des Pentekostalismus in Nigeria mit der Geburt der nigerianischen Vierten Republik (1999- ) zusammenfiel und der demokratische Prozess sich unter dem Vorzeichen des Pentekostalismus entfaltete, lautet die Kernthese, dass es unmöglich ist, das eine ohne die Beachtung des anderen zu verstehen. Dementsprechend bietet der Aufsatz ein Panorama der Themen und Persönlichkeiten, die an der Verflechtung von nigerianischem Pentekostalismus und nigerianischer Politik in den letzten zwei Jahrzehnten beteiligt waren. Dabei wird versucht, unter anderem den Aufstieg des Pentekostalismus als religiöse und soziokulturelle Kraft, seinen Einfluss auf Entscheidungsprozesse und politische Performance sowie den Kontext und die Auswirkungen seines Wettstreits mit konkurrierenden islamischen Kräften zu beleuchten. Der Aufsatz schließt mit Spekulationen über die politischen Aussichten des Landes, da der Pentekostalismus das soziale Imaginäre weiterhin fest im Griff hat.
Tag 3: Freitag, 30. Juli
Der jüngere Bruch mit der klassischen Interpretation der pentekostalen apolitischen Haltung hat insbesondere in den Sozial- und Politikwissenschaften Aufmerksamkeit erregt. Gerade mit Blick auf die Pfingstbewegung in Subsahara-Afrika zeugt ein beachtlicher Teil der Fachliteratur von einer pfingstlichen Vorstellung von Gesellschaft, welche eine gewisse pentekostale Akteurschaft in politischen Sphären nahelegt. Dennoch herrscht ein akutes Schweigen über die theologische Grammatik, die pfingstlichem politischem Handeln Struktur verleiht. Die hier vorgelegte These entschlüsselt das pfingstlerische Skript der sogenannten Dominion Theology, die ein neuartiges Bestreben nach politischer Macht vor Augen hat. Es handelt sich dabei um ein vereinheitlichendes Gesellschaftskonzept, das den grundlegenden pfingstlerischen Wesenszug beinhaltet, glaubensbasiertes Handeln zum Ausdruck zu bringen. Ihr Theorieentwurf „wandert“ durch den globalen Pentekostalismus und umfasst Strategien der Elitenvernetzung und Kooptation. Zwar wird ein recht kohärentes Format beansprucht, doch hinterlässt der herrschaftstheologische Impuls in der politischen Praxis den Eindruck von Ambiguität, wie die jüngste politische Öffentlichkeit in Ghana zeigt.
In immer neuen Bildern wird das Ende der Welt heraufbeschworen. Während im europäischen Kontext dieses Ende mit dem Ende des christlichen Abendlandes und weiterer nicht näher benannter daraus folgender katastrophischen Ereignisse identifiziert wird, bekommen diese Bilder immer stärkerer Ausdrucksformen, je mehr sich die christlich-spirituelle Gemeinschaft im evangelikal-pentekostalen Bereich bewegt. Jedoch kennt auch die katholische Kirche Bewegungen, die sich im apokalyptischen Symbolbereich bewegen.Was bedeuten die Bilder, die Sprache der Apokalyptik? Was macht sie attraktiv? Wie sehr sind die verwoben mit christlicher Spiritualität? Auf welche Lücke machen sie aufmerksam und welche Haltung fordern sie heraus? Um diese Frage wird es in dem Panel gehen: Erstens um eine kurze Definition: was ist Apokalyptik; zweitens eine Spurensuche apokalyptischer Traditionen insbesondere in den Kirchen der Refomation; drittens die Suche nach einer Haltung, die die Apokalyptik positiv herausfordert – in doppelt Hinsicht.