Die Pilgerreise des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, und des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischof Heinrich Bedford-Strohm, im Heiligen Land hat unerwartete mediale Aufmerksamkeit erregt.
An der Interpretation der beiden Publizisten ist wiederum „bemerkenswert“ – oder gar entlarvend –, dass sie sich einseitig auf das Verhalten der beiden christlichen Repräsentanten gegenüber den muslimischen Gastgebern bezieht. Denn wie aus anderen Quellen hervorgeht, haben die Bischöfe nicht nur bei ihrem Besuch des Felsendoms und der al-Aksa-Moschee auf das Tragen des Kreuzes verzichtet, sondern auch beim Besuch der jüdischen Westmauer. Wolffsohn scheint schlecht recherchiert zu haben, wenn er behauptet, im jüdischen Teil des Heiligen Landes sei „kein Mensch auch nur auf die Idee gekommen, die beiden Spitzen-Christen darum zu bitten, das Kreuz abzulegen“. Vielmehr erging auch von Seiten der jüdischen Zuständigen vor dem Besuch der Klagemauer die entsprechende Bitte an die deutsche Delegation. Ich stelle mir die Frage, was wohl hierzulande medial passiert wäre, wenn eben nicht die muslimischen, sondern ausschließlich die jüdischen Gastgeber die Bitte vorgetragen hätten.
Wenn hierbei die Bewertungsmaßstäbe unterschiedlich ausfallen, dann sieht man, dass der interreligiöse Dialog zwischen Christentum und Islam gegenwärtig nicht leicht fällt. Angesichts der Gräueltaten des dschihadistischen Islamismus müssen die Demarkationslinien zwischen Toleranz und Ablehnung in der Tat neu bestimmt werden. In einer politisierten Atmosphäre ist es allerdings wenig hilfreich, das Kind mit dem Bade auszukippen. Der Religionstheologe Reinhold Bernhardt hat immer wieder mit plausiblen Argumenten dafür geworben, die Errungenschaften der Israeltheologie auch auf eine Islamtheologie zu übertragen bzw. die Bereitschaft für Zugeständnisse, die im jüdisch-christlichen Dialog selbstverständlich sind, auch im Dialog mit dem Islam zu zeigen. Das schließt freilich nicht aus, bestimmte Reaktionen des Dialogpartners in einer sachlichen Auseinandersetzung zu hinterfragen: Weshalb legt ein Gastgeber – sei er nun muslimischer oder jüdischer Religionszugehörigkeit – überhaupt wert darauf, dass ein wichtiges Symbol der anderen Religion an den genannten Orten abgelegt wird?