Eine Neuausrichtung der katholischen Kirche (auch) im deutschsprachigen Raum?
Das Mission Manifest. Die Thesen für das Comeback der Kirche ist Anfang des Jahres beim Herder Verlag erschienen und eng mit dem Gebetshaus Augsburg verbunden. Herausgegeben wurde es von Johannes Hartl (katholischer Theologe und Gründer des Gebetshauses), Karl Wallner (Zisterzienserpater, „Popmönch“ und Nationaldirektor von Missio Österreich) und Bernhard Meuser (Publizist sowie Mitinitiator und Leiter der YOUCAT Foundation). Das Buch schaffte es Anfang 2018 auf Platz 16 der Spiegel-Bestsellerliste.[2]
Eine entsprechende Neuausrichtung oder -orientierung der katholischen Kirche zeigt sich im Manifest nicht nur dort, wo verschiedene Freikirchen explizit als Vorbilder herausgestellt werden.[4] Sie zeigt sich u.a. auch, wie Ursula Nothelle-Wildfeuer bemerkt, in der Art und Weise, wie das Manifest den Missionsbegriff füllt:
„Entscheidend ist die Verbindung mit Gebet und mit der Hoffnung auf Wunder, mit intensivem Fasten […]. Der „altar call“, zu lernen bei den Erweckungsbewegungen und in den evangelikalen Freikirchen […], verstanden als Bekenntnis der persönlichen Entscheidung für den Glauben und für Christus vor einer möglichst großen Öffentlichkeit, gewinnt zentrale Bedeutung für das, was hier mit Mission gemeint ist.“
Auffällig ist außerdem, dass sich entsprechende Debatten um das rasante Wachstum EPCB weltweit sowie eine allgemeine Charismatisierung und/oder Evangelikalisierung auch der traditionellen Kirchen (nicht nur in kirchlichen Kreisen) vornehmlich auf Asien, Afrika und die Amerikas beschränken. Europa bleibt in diesen Diskussionen bislang auffällig unterbelichtet. Das liegt zweifelsohne daran, dass EPCB in Europa bis heute statistisch betrachtet und mit Blick auf ihre öffentliche Präsenz eine Randerscheinung geblieben sind. Das gilt auch für Deutschland.[7] Diese geringe Präsenz hat dazu geführt, dass EPCB in Deutschland bislang kaum wahrgenommen wurden. Wenn sie zum Thema wurden, dann als Teilaspekt von Migration.[8] Und so verwundert es nicht, dass die Auseinandersetzung mit EPCB in der katholischen Kirche bislang vor allem in missionswissenschaftlichen Einrichtungen und kirchlicher Hilfswerken stattfindet. Beide richten ihren Blick sozusagen qua Arbeitsauftrag auf „die Weltkirche“ und weniger auf Europa.[9]
Der augenscheinliche Erfolg des Manifests und des dahinterstehenden Gebetshauses – dessen alljährliche MEHR-Gebetshauskonferenz verzeichnete dieses Jahr mit mehr als 10.000 Besucher*innen einen neuen Rekord – machen deutlich, dass auch Europa in Sachen Evangelikalisierung/Charismatisierung längst kein unbeschriebenes Blatt mehr ist. Schon heute ist die größte Gemeinde und einzige „Megakirche“ Deutschlands, das Gospel Forum in Stuttgart, evangelikal-charismatisch geprägt.
Diese Entwicklungen werfen die Frage auf, wer sich in der katholischen Kirche in Deutschland in Zukunft mit dem Thema ECPB innerhalb und außerhalb der traditionellen Kirchen befasst.
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[1] „Papst nimmt ‚Mission Manifest’ entgegen“, in: Vatican News (2.5.2018), abrufbar unter: https://www.vaticannews.va/de/kirche/news/2018-05/papst-mission-manifest-sylvia-buhl-karl-wallner-evangelisierung.html, [27.5.2018].
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[2] Vgl. https://www.buchreport.de/bestseller/buch/isbn/9783451381478.htm/, [20.4.2018].
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[3] Besprechungen des Manifests sindu.a. auf Feinschwarz.net, katholisch.de oder in der Herder Korrespondenzerschienen.
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[4] Siehe hierzu v.a. den Beitrag von Hartl, S. 149-163.
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[5] Vgl. John L. Allen, Das Neue Gesicht der Kirche. Die Zukunft des Katholizismus, Gütersloh 2010, hier S. 69f.
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[6] Vgl. Jakob Egeris Thorsen, „Trends in Global Catholicism: The Refractions and Transformations of a World Church“, in: Stephen Hunt (Hrsg.), Handbook of Global Christianity: Themes and Developments in Culture, Politics, and Society, Leiden u.a. 2015, S. 29–48, hier S. 44.
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[7] Aktuelle Zahlen zu Deutschland finden sich bei REMID, dem Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst.
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[8] Siehe z.B. den 2006 erschienen Tagungsband Migration und Identität. Pfingstlich-charismatische Migrationsgemeinden in Deutschland, hrsg. von Michael Bergunder und Jörg Haustein.
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[9] So befasst sich beispielsweise die wissenschaftliche Arbeitsgruppe für weltkirchliche Aufgaben der Deutschen Bischofskonferenz seit Mitte der 1990er Jahre mit dem Thema der PCEB. 2013 präsentierte die Arbeitsgruppe die Ergebnisse exemplarischer Länderstudien auf einer internationalen Konferenz in Rom. Europa spielte dort kaum eine Rolle, obwohl ein Fokus Osteuropa am Beispiel Ungarns Teil des Projektdesigns gewesen sei soll.Vgl. Valentin Feneberg und Johannes Müller SJ, Evangelikale – Pfingstkirchen – Charismatiker. Neue Religiöse Bewegungen als Herausforderung für die katholische Kirche (Forschungsergebnisse 6), Bonn 2014, S. 8. Auch die erste Jahrestagung des 2009 gegründeten IWM war dem Thema des Pentekostalismus gewidmet. Auch hier spielte Europa nur am Rande eine Rolle. Vgl. Tobias Keßler und Albert-Peter Rethmann (Hrsg.), Pentekostalismus. Die Pfingstbewegung als Anfrage an Theologie und Kirche, Regensburg, 2012.
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Esther Berg-Chan