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E Neuigkeit
Papst nimmt „Mission Manifest“ entgegen

Eine Neuausrichtung der katholischen Kirche (auch) im deutschsprachigen Raum?

Am 2. Mai 2018 nahm Papst Franziskus am Rande einer Generalaudienz das Mission Manifest entgegen. Die dahinterstehende Initiative für einen „missionarischen Aufbruch“ innerhalb der katholischen Kirche (im deutschsprachigen Raum) soll er wohlwollend aufgenommen und zum weitermachen ermuntert haben.[1]

Das Mission Manifest. Die Thesen für das Comeback der Kirche ist Anfang des Jahres beim Herder Verlag erschienen und eng mit dem Gebetshaus Augsburg verbunden. Herausgegeben wurde es von Johannes Hartl (katholischer Theologe und Gründer des Gebetshauses), Karl Wallner (Zisterzienserpater, „Popmönch“ und Nationaldirektor von Missio Österreich) und Bernhard Meuser (Publizist sowie Mitinitiator und Leiter der YOUCAT Foundation). Das Buch schaffte es Anfang 2018 auf Platz 16 der Spiegel-Bestsellerliste.[2]

Das Mission Manifest, gesichtet in der Frankfurter Bahnhofsbuchhandlung (Foto: EBC)
Für seine herausfordernden Thesen hat das Mission Manifest viel Zuspruch erhalten, aber auch viel Kritik geerntet. Der vorliegende Beitrag will in diesem Zusammenhang keine weitere Besprechung des Buches im eigentlichen Sinne sein.[3] Das Mission Manifest, so die These dieses Beitrags, spiegelt an vielen Stellen neuere Entwicklungen innerhalb der globalen christlichen Landschaft wider, die mit Blick auf den deutschsprachigen Raum und Europa bislang wenig Beachtung gefunden haben. Gemeint ist die Beobachtung einer zunehmenden Charismatisierung und/oder Evangelikalisierung über Kirchen- und Konfessionsgrenzen hinweg.

Eine entsprechende Neuausrichtung oder -orientierung der katholischen Kirche zeigt sich im Manifest nicht nur dort, wo verschiedene Freikirchen explizit als Vorbilder herausgestellt werden.[4] Sie zeigt sich u.a. auch, wie Ursula Nothelle-Wildfeuer bemerkt, in der Art und Weise, wie das Manifest den Missionsbegriff füllt:

„Entscheidend ist die Verbindung mit Gebet und mit der Hoffnung auf Wunder, mit intensivem Fasten […]. Der „altar call“, zu lernen bei den Erweckungsbewegungen und in den evangelikalen Freikirchen […], verstanden als Bekenntnis der persönlichen Entscheidung für den Glauben und für Christus vor einer möglichst großen Öffentlichkeit, gewinnt zentrale Bedeutung für das, was hier mit Mission gemeint ist.“

Der US-amerikanische Journalist John L. Allen spricht mit Blick auf die USA bereits von einem neuen „evangelikalen Katholizismus“, den er als „kompromissloser und unerschrockener er selbst“ beschreibt, ein Katholizismus, der „stärker darauf aus [sei], die Kultur zu evangelisieren als sich an sie anzupassen“ und bei dem der Glaube als „persönliche Entscheidung“ im Mittelpunkt stehe.[5] Der Theologe Jakob Egeris Thorsen meint in dieser Hinsicht sogar einen „globalen Trend“ innerhalb der katholischen Landschaft weltweit diagnostizieren zu können.[6]
Als Vergegenwärtigung der persönlichen Entscheidung für den Glauben/die Mission hat sich im evangelikal-charismatischen Spektrum die datierte Unterschrift etabliert (links ein Auszug aus dem Manifest, S. 7, rechts aus einer evangelikalen Handtaschen-Spruchsammlung mit biblischen Texten, ohne Datum, wahrscheinlich 80er-Jahre, Foto: EBC)
Das rasante Wachstum evangelikaler, pentekostaler und charismatischer Bewegungen (EPCB) ist in der katholischen Kirche kein neues Thema. Bereits seit der sogenannten „Sekten-Debatte“ in den 90er-Jahren beschäftigen sich Vertreter*innen der katholischen Kirche mit dem Phänomen „neue religiösen Bewegungen“, zu denen auch die EPCB gezählt werden. Bis heute werden entsprechende Bewegungen innerhalb der traditionellen Kirchen immer noch oft als „Sekten“ thematisiert. Das mag verwundern, wenn man bedenkt, dass charismatische Bewegungen seit den 1960er Jahren fester Bestandteil vieler traditioneller Kirchen sind. In der römisch-katholischen Kirche ist die Charismatische Erneuerung (CE) als Neue Geistliche Bewegung anerkannt. Johannes Hartl, Mitherausgeber des Manifests und Gründer des Gebetshaus Augsburg, zählt sich selbst zur CE. Mit einigen Vertretern der Pfingstbewegung führt die katholische Kirche seit Anfang der 1970er Jahre offizielle Gespräche.

Auffällig ist außerdem, dass sich entsprechende Debatten um das rasante Wachstum EPCB weltweit sowie eine allgemeine Charismatisierung und/oder Evangelikalisierung auch der traditionellen Kirchen (nicht nur in kirchlichen Kreisen) vornehmlich auf Asien, Afrika und die Amerikas beschränken. Europa bleibt in diesen Diskussionen bislang auffällig unterbelichtet. Das liegt zweifelsohne daran, dass EPCB in Europa bis heute statistisch betrachtet und mit Blick auf ihre öffentliche Präsenz eine Randerscheinung geblieben sind. Das gilt auch für Deutschland.[7] Diese geringe Präsenz hat dazu geführt, dass EPCB in Deutschland bislang kaum wahrgenommen wurden. Wenn sie zum Thema wurden, dann als Teilaspekt von Migration.[8] Und so verwundert es nicht, dass die Auseinandersetzung mit EPCB in der katholischen Kirche bislang vor allem in missionswissenschaftlichen Einrichtungen und kirchlicher Hilfswerken stattfindet. Beide richten ihren Blick sozusagen qua Arbeitsauftrag auf „die Weltkirche“ und weniger auf Europa.[9]

Der augenscheinliche Erfolg des Manifests und des dahinterstehenden Gebetshauses – dessen alljährliche MEHR-Gebetshauskonferenz verzeichnete dieses Jahr mit mehr als 10.000 Besucher*innen einen neuen Rekord – machen deutlich, dass auch Europa in Sachen Evangelikalisierung/Charismatisierung längst kein unbeschriebenes Blatt mehr ist. Schon heute ist die größte Gemeinde und einzige „Megakirche“ Deutschlands, das Gospel Forum in Stuttgart, evangelikal-charismatisch geprägt.

Diese Entwicklungen werfen die Frage auf, wer sich in der katholischen Kirche in Deutschland in Zukunft mit dem Thema ECPB innerhalb und außerhalb der traditionellen Kirchen befasst.

Quellen
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    [1] „Papst nimmt ‚Mission Manifest’ entgegen“, in: Vatican News (2.5.2018), abrufbar unter: https://www.vaticannews.va/de/kirche/news/2018-05/papst-mission-manifest-sylvia-buhl-karl-wallner-evangelisierung.html, [27.5.2018].

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    [2] Vgl. https://www.buchreport.de/bestseller/buch/isbn/9783451381478.htm/, [20.4.2018].

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    [3] Besprechungen des Manifests sindu.a. auf Feinschwarz.netkatholisch.de oder in der Herder Korrespondenzerschienen.

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    [4] Siehe hierzu v.a. den Beitrag von Hartl, S. 149-163.

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    [5] Vgl. John L. Allen, Das Neue Gesicht der Kirche. Die Zukunft des Katholizismus, Gütersloh 2010, hier S. 69f.

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    [6] Vgl. Jakob Egeris Thorsen, „Trends in Global Catholicism: The Refractions and Transformations of a World Church“, in: Stephen Hunt (Hrsg.), Handbook of Global Christianity: Themes and Developments in Culture, Politics, and Society, Leiden u.a. 2015, S. 29–48, hier S. 44.

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    [7] Aktuelle Zahlen zu Deutschland finden sich bei REMID, dem Religionswissenschaftlichen Medien- und Informationsdienst.

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    [8] Siehe z.B. den 2006 erschienen Tagungsband Migration und Identität. Pfingstlich-charismatische Migrationsgemeinden in Deutschland, hrsg. von Michael Bergunder und Jörg Haustein.

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    [9] So befasst sich beispielsweise die wissenschaftliche Arbeitsgruppe für weltkirchliche Aufgaben der Deutschen Bischofskonferenz seit Mitte der 1990er Jahre mit dem Thema der PCEB. 2013 präsentierte die Arbeitsgruppe die Ergebnisse exemplarischer Länderstudien auf einer internationalen Konferenz in Rom. Europa spielte dort kaum eine Rolle, obwohl ein Fokus Osteuropa am Beispiel Ungarns Teil des Projektdesigns gewesen sei soll.Vgl. Valentin Feneberg und Johannes Müller SJ, Evangelikale – Pfingstkirchen – Charismatiker. Neue Religiöse Bewegungen als Herausforderung für die katholische Kirche (Forschungsergebnisse 6), Bonn 2014, S. 8. Auch die erste Jahrestagung des 2009 gegründeten IWM war dem Thema des Pentekostalismus gewidmet. Auch hier spielte Europa nur am Rande eine Rolle. Vgl. Tobias Keßler und Albert-Peter Rethmann (Hrsg.), Pentekostalismus. Die Pfingstbewegung als Anfrage an Theologie und Kirche, Regensburg, 2012.

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    Esther Berg-Chan

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